03/10/2024 0 Kommentare
500 Jahre EG: Monatslied Oktober 2024
500 Jahre EG: Monatslied Oktober 2024
# Musik bei Paulus

500 Jahre EG: Monatslied Oktober 2024
Anlässlich des Jubiläums des Evangelischen Gesangbuchs stellt unsere Kantorin Dr. Cordelia Miller für jeden Monat ein Lied daraus vor. Ihre Wahl für den Oktober fiel auf das Lied:
Herr Christ, der einig Gotts Sohn (EG 67)
im Bild dargestellt im Babstschen Gesangbuch (1545)
Im Reformationsmonat Oktober kehren wir noch einmal an die Anfänge des evangelischen Gesangbuchs zurück – weniger unter inhaltlichem als unter sozialgeschichtlichem Gesichtspunkt. Denn die Reformation war ja nicht nur eine theologische, sondern auch eine sozialgesellschaftliche Erneuerungsbewegung. So setzten sich Luther und seine Mitstreiter für eine Reform des Bildungswesens ein und gründeten Schulen, darunter 1529 in Grimma die erste Mädchenschule unter der Leitung von Magdalena von Staupitz. Sie war neben Katharina von Bora eine der neun Nonnen, die 1523 aus dem Kloster Nimbschen geflohen waren. Bildung und Herkunft der ehemaligen Nonnen ermöglichten ihnen die aktive Teilhabe an der Ausbreitung und Konsolidierung der Reformation.
Das gilt auch für Elisabeth Cruciger geb. von Meseritz, aus deren Feder das Monatslied für den Oktober stammt. Sie wurde um 1500 in Hinterpommern in ein polnisches Adelsgeschlecht geboren. Wie viele andere Mädchen aus verarmten Adelsfamilien wurde sie bereits als Kind in ein Kloster gebracht. Sie erhielt dort Unterricht im Lesen und Schreiben, lernte Latein und befasste sich mit Bibelstudien. Durch Johannes Bugenhagen, einen Weggefährten Luthers, wurde die junge Nonne mit dem reformatorischen Gedankengut bekannt gemacht, verließ 1522 das Kloster und ging nach Wittenberg, wo sie zwei Jahre später den Theologen und Mitarbeiter Luthers Caspar Cruciger heiratete. Damit gehörte sie zum engsten Kreis um den Reformator.
Als einzige Frau unter den Mitstreitern der ersten Stunde leistete Elisabeth Cruciger mit ihrem Lied Herr Christ, der einig Gotts Sohn auch einen Beitrag zu den ersten deutschsprachigen Gemeindeliedern und gilt damit zugleich als erste Kirchenlieddichterin. Das Lied wurde 1524 im zweitältesten evangelischen Gesangbuch Ein Enchiridion oder Handbüchlein in Erfurt veröffentlicht und ist bis heute im Stammteil des EG enthalten. Wegen der Metapher vom Morgenstern in der ersten Strophe ist es Epiphanias zugeordnet, könnte mit seiner theologischen Dichte aber auch als Reformationslied bezeichnet werden. Allerdings fehlt ihm der kämpferische Charakter vieler Reformationslieder. Stattdessen wirkt es wie ein sehr persönliches Glaubensbekenntnis, das mit seiner innigen Jesusliebe auf die pietistischen Lieder der Barockzeit vorausweist.
Dr. habil. Cordelia Miller
Kantorin bei Paulus
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