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Monatsspruch Mai 2022

Ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht. 3. Joh. 2

Liebe Leserinnen und Leser,

ein verständlicher Wunsch. Irgendwie ist der Wunsch mit anderen Worten formuliert auch vertraut: In meiner Korrespondenz finde ich immer wieder Sätze wie „ich hoffe und wünsche Dir, dass es Dir gutgeht und dass Du gesund bist.“ Besonders die Nachrichten in den letzten beiden Jahren endeten häufig mit dem Wunsch „bleibt gesund!“ Der Wunsch nach Gesundheit steht auf Geburtstagskarten oder unter Grüßen zur Geburt eines Kindes.

Dass man diesem Wunsch nachhelfen könnte, wird gemeinhin angenommen: Um gesund und fit zu bleiben, helfen Bewegung und Sport (wie passend dazu das Thema unseres Gemeindebriefes in diesem Monat).

Ja, ich kann etwas tun, kann Vorsorge betreiben, mich schützen, bewegen, gut ernähren. Und doch liegen Gesundheit und Wohlergehen nicht immer in meiner Hand. Das merke ich in meinem Umfeld – besonders bei Gebrechen und schweren Krankheiten, ob von Geburt an, mit zunehmendem Alter oder als plötzlicher Schlag. Daher wünsche ich Gesundheit.

So auch der Briefeschreiber: „Ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit.“

Dieser Wunsch ist alt. Der Brief wird gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. datiert. Der Absender nennt sich Presbyter, der Älteste. Er schreibt an einen gewissen Gaius. Ihm gilt der Wunsch: „Lieber, ich wünsche Dir ...“ Andere antike Briefe kennen ähnliche formelhafte Wünsche. Bemerkenswert ist jedoch die gewählte Vokabel: Was mit Wohlergehen übersetzt wird, ist eigentlich ein passives Verb – „dass du auf einem guten Weg geführt wirst.“ Dahinter steht der Gedanke, dass es Gott ist, der auf einen guten Weg führt: „Ich wünsche dir in jeder Hinsicht, dass es Dir“ – dank Gott – „gutgeht und du gesund bist.“ Und zwar: „so wie es deiner Seele“ – dank Gott – „gutgeht.“ Hier hat der Briefeschreiber keine verletzte, keine erschöpfte Seele im Blick. Mit seinem Vergleich drückt er vielmehr seinen Glauben aus, dass die Seele seines Freundes auf einem guten Weg ist. So gut wie es dessen Seele geht, so wünscht er ihm auch körperliches Wohlergehen, Gesundheit.

„Gott schenke Ihnen in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit – an Leib und Seele!“

Das wünscht Ihnen Ihre Vikarin Hi-Cheong Lee 

Monatsspruch April 2022

Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte. Johannes 20,18

Liebe Leser und Leserinnen, 

dieser Vers ist eine Sehschule.

„Ich habe ihn gesehen“, sagte Maria.
Sie hatte hingeschaut – und einen Mann entdeckt, damals an jenem Morgen, als sie zum Grab gegangen war. Sie hatte hingeschaut und nicht gesehen, dass er es war: Jesus. Erst später, als er mit ihr redete, als sie seine Stimme hörte, erkannte sie ihn. 

Wir gehen in diesen Monat, um Ostern zu feiern. Was ist da zu sehen? 

Ich sehe, wie Bäume langsam wieder grün werden. Ich sehe, wie ein Amselpaar ein Nest baut. Ich sehe, wie auf einem Grab Osterglocken blühen. Ich sehe, wie auf der Brücke über den Kanal Menschen ihr Gesicht von der Sonne bescheinen lassen. Ich sehe Schoko-Osterhasen in Einkaufskörben verschwinden. 

Wo sehe ich Ostern?
Wie sieht Gottes Sieg über den Tod aus?

Ich sehe die Bilder von Soldaten, russischen und ukrainischen. Ich sehe die Hilflosigkeit meiner Buchhändlerin. Ihre Schwestern leben in Kiew. Ich sehe Panzer rollen. Ich sehe, wie Raketen Häuser zu Gräbern gemacht haben. Wo ist da zu sehen, dass Jesus lebt, dass Gott den Tod besiegt hat? 

Maria hatte gesehen, wie Jesus am Kreuz gestorben war. Als sie am Morgen nach dem Sabbat am leeren Grab war, dachte sie, dass sie den Gärtner sehen würde. Dass sie Jesus selbst, den Auferstandenen, sah, musste sie erst lernen. 

Zu Ostern werden wir in der Kirche hören: Jesus ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Diese Worte gehören dazu, damit wir sehen. In diesem Sehen steckt der Anfang des Verstehens, was da geschehen ist.   

Ich wünsche uns, dass wir in diesem Jahr Ostern entdecken können, dass wir sehen, dass Gott den Tod besiegt hat. Das zarte Grün an den Bäumen ist mit einem Mal nicht nur zart, sondern auch ein kraftvolles Zeichen, dass das Leben neu beginnt. Im Friedensgruß zwischen Menschen aus der Ukraine und Russland sehe ich, dass Gott stärker ist als der Tod. Und mit dabei ist Jesu Angesicht zu sehen. 

Ein Fest der Auferstehung und des Lebens wünscht Ihnen
Ihre Barbara Neubert

Monatsspruch März 2022

Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen. Epheser 6,18

Wir sollen beten! 

Nicht aufgeben, wenn wir darin müde werden, weil das „Ergebnis” nicht unseren Vorstellungen entspricht. 

Wir sollen beten! Nicht aufhören, dies zu tun – auch nicht in einer Zeit, in der die Praxis des Betens weniger als früher von Generation zu Generation weitergegeben wird.  

Der Monatsspruch will uns wachrütteln: Seid wachsam, harrt aus. Bleibt beständig im Gebet! 

Vielleicht nehme ich mir einmal diesen Bibelvers zum Anlass und denke über meine eigenen Gebete nach. Wieviel Raum haben sie? Bin ich eher jemand, der spontan ein Stoßgebet gen Himmel schickt oder suche ich nach einem festen Ort für mein Beten im Tagesablauf? Vielleicht gibt es Gebetsanliegen, bei denen ich inzwischen müde geworden bin? – Wie gehe ich damit um? Und dann – auch eine spannende Frage: Für wen bete ich eigentlich? Bete ich nur für mich und meine Nächsten? Oder denke ich im Gebet auch an die Ferneren?  

Der Monatsspruch ist in dieser letzten Frage besonders deutlich: Betet für alle, mit denen ihr im Glauben verbunden seid! So sagt er uns. Wie passend ist es daher, dass der Monat März gleich zwei zentrale Daten bereithält, an denen unser Blick für Glaubensgeschwister in der Ferne geweitet wird. 

Da ist zum einen der Weltgebetstag am 04. März, der 2022 von Frauen aus England, Wales und Nordirland vorbereitet wurde. Wir erfahren an dieser Stelle z.B., wie schmerzlich dort bis heute die Konfessionsgrenzen in manchen Regionen empfunden werden oder welche Rolle das Thema „Armut” bei ihnen spielt. Am 04. März spannt sich ein weltweites Gebetsnetz für diese Themen um den Globus! 

Das zweite zentrale Datum liegt auf dem Sonntag, der in der Kirche den Namen „Reminiszere” trägt. Er fällt in diesem Jahr auf den 13. März. 

In jedem Jahr macht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) an diesem Sonntag darauf aufmerksam, in wie vielen Ländern Christinnen und Christen aufgrund des Glaubens verfolgt oder bedrängt werden. Im Jahr 2022 geht der Blick dabei zu unseren Glaubens-geschwistern in Belarus (mehr dazu im aktuellen Paulusbrief auf Seite 11).

Beide Beispiele machen deutlich, dass das Gebet über alle Grenzen hinweggeht. Das Gebet kennt keinen Brexit und macht auch vor unterschiedlichen politischen Systemen und ihren Herrschern nicht halt.

In dieser Weise füreinander zu beten, macht deutlich, wie groß die eine Gemeinschaft der Glaubenden ist.  

Ihr Pfarrer Björn-Christoph Sellin-Reschke 

Monatsspruch Februar 2022

„Zürnt Ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über Eurem Zorn untergehen.“ Epheser 4,26

Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Was für ein Ratschlag!
Streitet – wenn es Not tut, auch heftig – aber bevor ihr schlafen geht, versöhnt euch! Geht nicht mit dem Zorn ins Bett! 

Ich habe mit Geschwistern am Grab gestanden, die nicht miteinander redeten.
Der Anlass für den Zorn lag 20 Jahre zurück und war nie besprochen worden. Nun war er verhärtet und eine Versöhnung nicht möglich. Selbst mir als Außenstehender hat das weh getan – wie viel mehr den Beteiligten! Ob den beiden Geschwistern dieser Satz aus der Bibel zur rechten Zeit geholfen hätte?

Ich finde, es ist ein wunderbarer Satz für die Erziehung von Kindern. Ohne Zorn und ohne Streit geht es nicht. Aber wie beendet man einen Streit? Wie kann man
am nächsten Morgen gut miteinander in den Tag gehen? Wie, das sagt diese Lebensweisheit nicht, aber dass es wichtig ist, ohne Streit und Zorn den Tag zu beenden. Es schläft sich besser. Und der neue Tag beginnt besser. 

Bevor der Tag endet, soll der Zorn nicht mehr die Gedanken bestimmen. 

Im Epheserbrief steht dieser Satz zusammen mit einer ganzen Reihe von Ratschlägen für das Zusammenleben. Der Anspruch war, dass das Zusammen-leben in den Gemeinden, die es ja noch gar nicht lange gab, geprägt sein soll von einer Freundlichkeit nach innen und außen. In manchen Gemeinden war dadurch 
ein so hoher moralischer Anspruch entstanden, dem kaum jemand gerecht werden konnte. Da durfte nicht mehr gestritten werden, Männer behielten das letzte Wort, denn die Frauen hatten sich ja unterzuordnen (Eph 5,22). Und mit einem Mal wird dieser Monatsspruch hohl.

Die Auslegung der Bibel geht sorgsam mit solchen Worten um, versucht sie in
ihrem Zusammenhang und in der Zeit zu verstehen. Wie war das Leben der Gemeinden in der Zeit als dieser Brief zum ersten Mal gelesen wurde? Auf welches Problem und welche Frage reagiert er? Und was hat das mit Gott und mit Christus zu tun? 

Wenn man mehr darüber weiß, lassen sich manche Lebensweisheiten besser verstehen. Und ich kann prüfen und sehen, welche Ratschläge für heute wichtig sein könnten. Der Ratschlag, seinen Zorn und Streit zu beenden, bevor man schlafen geht, gehört definitiv dazu. Für Sie auch? 

Das fragt Sie mit einem herzlichen Gruß 

Barbara Neubert

Jahreslosung 2022

Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen. Joh 6,37


Wer könnte von sich sagen, dass er keinen abweist, der zu ihm kommt? 

Ich lese diesen Satz und sehe die Bilder von Migranten_innen an der Grenze zur EU, Menschen in der Kälte des Novembers und der Kälte der Sicherheitskräfte vor Ort, im Nirgendwo zwischen Belarus und Polen. Wie es dazu kam, dass sich so viele auf den Weg gemacht haben und dort nicht weiterwissen, ist die eine Sache. Wie man diesen Menschen am besten helfen könnte, darüber wird zu wenig gesprochen. 

„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Die Europäische Union, die sich auf christliche Grundwerte beruft, kann das im Moment nicht von sich sagen. Mich bedrückt das sehr. 

Nun hat Jesus diesen Satz vielleicht ganz anders gemeint? Galiläa war nicht unbedingt eine Gegend, in die man wollte, am Rande des römischen Reiches. Und innerhalb des Imperium Romanum war Migration eine andere Frage. Seit Jesus Nazareth verlassen hatte, wird von keinem festen Wohnsitz berichtet. Er hatte vermutlich kein Haus, in das er jemanden hätte aufnehmen können. Er hatte die Gemeinschaft der 12 Jünger, um die sich eine Gemeinschaft von Jüngerinnen und Jüngern gebildet hatte. Sie nahmen Neue auf.  

Der Vers, der als Jahreslosung für 2022 ausgewählt wurde, steht in einer längeren Rede Jesu im Evangelium nach Johannes, zusammen mit Sätzen wie „Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern; und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ Jesus wirbt in dieser Rede um Menschen. Er sieht ihre Not. Ihnen rollt er den roten Teppich aus und sagt: „Kommt!“ Dass es funktionieren kann, hatten Menschen wenig vorher erlebt: 5.000 Menschen wurden von fünf Broten und zwei Fischen satt. (Wem diese Geschichte eher unglaubwürdig vorkommt, empfehle ich den Artikel von Martin Ost „Wunder dauern etwas länger“ auf Seite 6 im jüngsten Paulusbrief). 

Die Jahreslosung für 2022 lese ich als eine Mahnung an uns: Beschäftigt euch nicht damit, wie man Menschen am besten abweisen kann. Fragt euch lieber, wie es gelingen kann, dass keiner abgewiesen werden muss. 

Wie sich die Lage von Geflüchteten auf der Erde im kommenden Jahr entwickeln wird, weiß ich nicht. Wie sich die Stimmung in unserem Land und in der EU gegenüber Migrant_innen verändern wird, lässt sich noch nicht absehen. Aber es kann sein, dass wir diesen Satz Jesu gut für unseren inneren Kompass brauchen werden. 

Barbara Neubert 

Monatsspruch Dezember 2021

Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der Herr. Sacharja 2, 14

Eine Fanfare zum Auftakt! So klingt der Monatsspruch, der uns in die Advents- und Weihnachtszeit begleitet. Ein Aufruf zu Freude und Fröhlichkeit! 

Wer die Kirchenlieder der Adventszeit schätzt, dem wird wahrscheinlich sofort der Choral von Georg Friedrich Händel im Ohr sein: „Tochter Zion, freue dich!”
Nehmen wir doch diesen Schwung mit – nicht nur für die beginnende Adventszeit, sondern gleich noch weiter ins neue Jahr 2022. Die Sehnsucht nach tiefer Freude und unbelasteter Fröhlichkeit ist jedenfalls groß.

Andererseits stellt sich dann aber auch die Frage, ob ein einfacher Aufruf, sich zu freuen, nicht reichlich naiv ist. Ist die ersehnte Fröhlichkeit angesichts der weltpolitischen Lage wirklich angebracht? 

Die Klimakrise sitzt uns im Nacken. Die Zahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht ist, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Und für uns ahnen wir bereits: es wird ein zweites Weihnachtsfest geben, bei dem nicht alles ist wie früher. Corona ruft uns weiterhin zur Achtsamkeit. Volle Kirchen bleiben eine Unmöglichkeit. 

Sollten wir also die Hoffnung auf unbe-lastete Freude einfach aufgeben?
Zumal ja auch der Choral „Tochter Zion, freue dich” unter den zu tragenden Masken deutlich dumpfer erklingen wird? Ist also Bescheidenheit in der Freude angebracht? 

Der UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi hat vor einigen Wochen die Führer der großen Weltreligionen aufgefordert, dass wir den Glauben über die Angst stellen müssen! Er bezog sich mit dieser Aufforderung auf die Frage, wie wir als Glaubende verantwortungsvoll auf die prekäre Lage der vielen flüchtenden 
Menschen reagieren. Doch der Aufruf des Flüchtlingskommissars lässt sich auf so viele andere Bereiche erweitern: Stellen wir unseren Glauben über die Angst! Stellen wir unseren Glauben über alle Sorgen – so berechtigt sie uns auch erscheinen! Stellen wir unseren Glauben über die Zweifel! 

Das heißt nicht, naiv zu sein. Es bedeutet vielmehr, glaubend ernst zu nehmen, dass Gott kommt und bei uns wohnt!
Gott holt uns aus dem Hamsterrad von Sorgen und Ängsten heraus, die sich immer enger auf den Brustkorb legen wollen.  

So ist der Aufruf zur Freude nicht ein Aufruf, ein wenig mehr Zuckerguss auf Plätzchen und Feiertage zu gießen. Es ist ein Aufruf, mit festem Glauben zu leben, dass Gott uns nahe ist!  Allein das soll Grund der Freude sein. Eine Freude, die uns stark macht, dann auch verantwortungsvoll in die Welt zu wirken.  

 Ihr Pfarrer Björn-Christoph Sellin-Reschke

Monatsspruch November 2021

Der Herr aber richte euer Herz aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus. 2. Thessalonicher 3,5

Liebe Leser und liebe Leserin, 

geben Sie einem Dichter die Worte Herz, Liebe und Warten. Er wird Ihnen daraus eine romantische Geschichte schreiben können, mit etwas Glück sogar eine wahre, von Menschen, die sie erlebt haben. 

Der Briefschreiber im Neuen Testament nimmt die Worte Herz, Liebe und Warten und macht daraus etwas Unromantisches, eher Ernstes, kurz bevor er seine Leser und Leserinnen ermahnt, den Umgang mit denen zu meiden, die unordentlich leben. Vermutlich meinte er damit diejenigen, die keiner geregelten Arbeit nachgehen. 

Aus den Worten Herz, Liebe und Warten schreibt er einen Segen, den ich erst beim zweiten Lesen entdeckt habe. Beim ersten habe ich eine Ermahnung gehört: „Richtet eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus.“ Das Warten auf Christus ist heute ein fremder Gedanke. Wenn Ihnen heute jemand sagen würde, „Ich glaube, dass Jesus bald wiederkommt und hoffe, dass ich das erlebe“, dann wäre das für Sie sicher merkwürdig. Damals, am Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. gab es viele, die auf Jesus warteten. 

Und wie ist das mit dem Herzen, das sich auf die Liebe Gottes ausrichten soll? Es ist die Frage, woran ich mein Herz hänge, was mir im Leben wichtig ist, womit ich meine Zeit verbringen will. Was würden wir als Gemeinden tun (und auch lassen), wenn unser Handeln auf die Liebe Gottes ausgerichtet ist? Aber auch: In welchen Momenten und Begegnungen in Paulus ist sie spürbar. Große Fragen für den Monat November mit seinem Buß- und Bettag. 

Der Briefschreiber scheint zu ahnen, dass diese Fragen groß sind und an manchen Tagen zu groß. Daher verbindet er sie mit einem Segen. „Gott richte eure Herzen aus“. Nicht ich alleine entscheide und muss die Kraft haben, mein Herz zu richten, sondern dafür braucht es Gottes Kraft. Diese Kraft überträgt sich im Segen. Das wunderbare am Segen ist, dass die Worte im Segen gesprochen und zugleich Wirklichkeit werden.  

Liebe Leser und Leserinnen, für diesen Monat waren das viele nachdenkliche Gedanken. Umso mehr wünsche ich Ihnen von Herzen alles Liebe und Geduld beim Warten. Bleiben Sie behütet. 

Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch Oktober 2021

Lasst uns aufeinander achthaben und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken. Hebräerbrief 10,24

Liebe Leserinnen und Leser,

Bei sportlichen Wettkämpfen werden sie dringend gebraucht: Menschen, die am Rand stehen und anfeuern, zujubeln und klatschen. Das macht den Sportlerinnen und Sportlern neuen Mut, schenkt Durchhaltevermögen und Kraft. 

Beim Berlin-Marathon Ende September war das endlich wieder möglich. Ganz anders sah es bei den Olympischen Sommerspielen und auch bei den Paralympics in Tokio aus: sie fanden vor leeren Rängen statt. Und – ohne Zuschauer fehlte etwas Entscheidendes!

Entsprechend des Monatsspruchs für den Oktober sollen wir als Christinnen und Christen beide Rollen einnehmen: Wir sollen uns gegenseitig anspornen, als seien wir einander die größten Fans. Und zugleich soll sich jede und jeder von uns angespornt wissen – zu guten Werken und zu Taten der Liebe. 

Denn die Welt braucht unser Engagement.

Die Welt braucht unsere Sensibilität für die Nöte der anderen. Die Welt braucht die konkrete gute Tat.  

Es wird Zeit, den Titel „Gutmensch” mit Würde zu tragen! Wer ihn spöttisch verwendet, hat noch nicht begriffen, wo wir stünden, wenn keiner mehr ein Gutmensch sein wollte. Und so spornt uns also das Wort aus dem Hebräerbrief für den Oktober zu eigenem engagierten Handeln an – zum Wohle unseres Nächsten! 

Aber Halt! Im Oktober feiern wir auch den Reformationstag (am 31.10.). Und haben uns die Reformatoren (und Reformatorinnen) zur damaligen Zeit nicht eigentlich gelehrt, dass wir allein aufgrund des festen Glaubens an Jesus Christus und allein aus Gnade von Gott angenommen werden? Und dass unsere vermeintlichen Guttaten in dieser Hinsicht rein gar nichts bewirken? 

So lohnt ein Blick in den Hebräerbrief, um die Aufforderung zur guten Tat richtig einzuordnen. Denn auch im Hebräerbrief ist zunächst davon die Rede, wie unser Glaube an Jesus Christus die Perspektive unseres Lebens verändert hat: Jesus Christus nimmt den Vorhang weg, der uns von Gott trennte. Diese Hoffnung und der Glaube daran sind Ausgangspunkte für alles – schließlich auch für unsere gute Tat! (Hebräerbrief 10,19-25)

Also! Auf die Plätze, fertig, los!
Spornen wir uns an!
Zur Liebe und zu guten Werken! 

Ihr Pfarrer Björn-Christoph Sellin-Reschke

Monatsspruch September 2021

Ihr sät viel und bringt wenig ein; ihr esst und werdet doch nicht satt.. Haggai 1,6


Ihr sät viel und bringt wenig ein; 
ihr esst und werdet doch nicht satt;
ihr trinkt und bleibt doch durstig; 
ihr kleidet euch, und keinem wird warm;
und wer Geld verdient, der legt’s in einen löchrigen Beutel.               
(Haggai 1,6)


Liebe Leser und Leserinnen,

es läuft etwas schief - und kaum einer scheint es mitzubekommen. Wir tun viel, aber das Ergebnis stimmt nicht. Wo liegt der Fehler?

Die meisten finden Klimaschutz wichtig, wollen sich dafür persönlich einsetzen, dass die Natur erhalten bleibt. Aber der Klimawandel geht weiter.

Mir scheint es, als würde der Prophet Haggai von unserem Ökologischen Fußabdruck sprechen: Ihr säet viel, doch wenn in Monokultur nur Mais geerntet wird, bringt es wenig ein und die Artenvielfalt stirbt. Ihr esst – und Fleisch macht satt. Aber ihr esst so viel Fleisch, dass anderen das Gemüse fehlt, weil vermehrt Viehfutter angebaut wird. Ihr trinkt gekauftes Wasser und die Wasserrechte sichern sich internationale
Großkonzerne. So wird Trinkwasser knapp, und Menschen bleiben durstig. Ihr tragt Kleider, die von Kindern genäht wurden und von Erwachsenen, die keinen fairen Lohn bekommen. Wie können die gut wärmen? Wer verdient, investiert sein Geld ohne zu fragen, ob die Anlage nachhaltig ist.

Es reicht nicht, nur zu sagen, dass wir ökologischer werden wollen. Das Wollen muss sich in mit vielen kleinen Schritten in Taten umsetzen. Das ist mühsam. Um Gottes Schöpfung zu bewahren, fällt mir kein anderer Weg ein. Aber wir können diesen Weg gehen. Warum tun wir es dann nicht?

„Ihr sät viel und bringt wenig ein…“ Als der Prophet Haggai diese Worte sagte, war Umweltschutz kein Thema. Der Mensch hatte nicht die Möglichkeit, die Natur in dem Maß zu zerstören, wie wir es heute tun. Die Natur war Gottes Schöpfung, war manchmal bedrohlich. Man begegnete ihr mit Achtung und bewunderte ihre Schönheit.

Was den Propheten Haggai seinerzeit ärgerte war, dass der Aufbau des Tempels nicht voran kam. An die eigene Häuser dachten sie, aber das Haus Gottes blieb zerstört im 6. Jahrhundert vor Christus, als die Menschen aus Babylonien nach Jerusalem zurückgekommen waren. Das Haus Gottes so in Trümmern zu lassen, bedeutet für ihn, Gott respektlos zu behandeln. Die Menschen schienen nicht einmal zu bemerken, wie respektlos sie waren. Kein Wunder, dass Haggai sich aufregte.

Und heute? Würde er unseren Umgang mit der Natur als Respektlosigkeit gegenüber der Schöpfung und damit gegenüber Gott anprangern?

Das fragt sich Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch August 2021

Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh! 2. Könige 19,16

Liebe Leser und Leserinnen,

während ich dies schreibe,
sind die Nachrichten voller Bilder von Überschwemmungen,
von weggerissenen Straßen,
von unbewohnbaren Häusern,
von Menschen, die Tränen in den Augen haben.

Neige, Herr, dein Ohr und höre!
Öffne, Herr, deine Augen und sieh!

Während ich dies schreibe,
sind Menschen schlammbespritzt,
stehen Häuser verletzt da,
zeigt die Natur ihre offene Wunde.

Neige, Herr, dein Ohr und höre!
Öffne, Herr, deine Augen und sieh! 

Während ich dies schreibe,
erzählen Menschen von der Solidarität,
von Hilfe, die sie erleben,
wachen Menschen auf und wissen, dass sie mehr für die Schöpfung tun wollen, tun müssen.

Neige, Herr, dein Ohr und höre!
Öffne, Herr, deine Augen und sieh! 

Der Beter hält Gott seine eigene Not hin – und die Not der anderen,
er liegt Gott in den Ohren und erzählt ihm von dem Ende der Hoffnung, von der Kraftlosigkeit mitten am Tag, von dem Gefühl, nicht mehr weiter zu wissen.
Der Beter schaut hin und erwartet etwas von Gott.

Wenn die Not so groß ist, dass wir nicht weiterwissen, wenn klar ist, dass Geld das Elend nicht heilen kann und die Ahnung wächst, dass es nicht nur Schicksal ist, sondern die Not mit unserem Handeln zu tun hat, und wir genau daran verzweifeln, dann können wir dies mit Gott bereden.

Neige, Herr, dein Ohr und höre!
Öffne, Herr, deine Augen und sieh!

Beten heißt, sich nicht einfach seinem Alltag zu wenden, als gäbe es die Not der anderen nicht.
Beten heißt, sich einzugestehen, dass die Not so groß ist, dass Menschen alleine es nicht richten können.
Beten heißt, von Gott etwas zu erwarten – mitten in dieser unserer Welt, mitten in der von Gott geliebten Natur.

Deshalb: Neige, Herr, dein Ohr und höre den Menschen im Ahrtal zu.
Öffne, Herr, deine Augen und sieh die Angst der Menschen in Euskirchen.

Darum bitten wir Gott in diesen Tagen. 

Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch Juli 2021

Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir. Apg 17,27 (L)

Manchmal bringt’s der Sommer mit sich: Ich laufe barfuß über eine Wiese, spüre mich selbst mit meinen nackten Beinen und meinem leichten T-Shirt im Sommerwind, werde verzaubert vom Sonnenlicht. Und plötzlich ist da kein Zweifel mehr: Gott ist da! Ich lebe in seiner Gegenwart – mittendrin in seiner guten Schöpfung. Ich kann es spüren.

Doch manche Male klappt es mit einer solch spontanen Gotteserkenntnis nicht. Und unsere Gefühle können wir auch nicht festhalten – auch dann nicht, wenn sie Gottes Gegenwart betreffen.

Dann brauche ich mehr als mein Gefühl. Dann brauche ich meine Vernunft und meinen Verstand, um mir Gottes Nahe sein bewusst zu machen.

Genau diesen Weg über den Verstand schlägt der Apostel Paulus im Neuen Testament ein. Wir hören in der Apostelgeschichte im 17. Kapitel, wie Paulus auf dem Areopag in Athen die Menschen von Gott überzeugen will. Er tut dies über die Vernunft – mit einer längeren Argumentationskette, die er den Athenern vor Augen führt:

Paulus beginnt bei Gott, wie dieser die Welt geschaffen hat. Er erklärt dann, dass
aus dem ersten Menschen, den Gott schuf, alle weiteren entstanden sind. Und so landet er über diese Argumentationskette schließlich bei der Erkenntnis:

„Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns - in ihm leben, weben und sind wir!”

Vielleicht hätte Paulus auch vorschlagen können: „Lasst uns barfuß über eine Wiese laufen, um Gott zu erkennen!” – aber auf dem Areopag Athens, der zugleich Gerichtsort und Diskussionsplatz war, zählten Argumente und keine Gefühle. Abgesehen davon ist der Areopag ein kahler Felsen. Eine Wiese ist nicht in Sicht. 

Und schließlich lässt sich eine Gottesoffenbarung ohnehin nicht festlegen. Während der eine Gott im Fühlen erlebt, kann es bei der nächsten über den Verstand laufen. So unterschiedlich können wir Gottes Nähe erleben und begreifen. Weil Gott selbst so vielfältig ist, kann es in der Hinsicht der Gotteserkenntnis keine Grenzen geben. 

Am Ende seiner Rede belässt es Paulus aber nicht dabei. Am Ende seiner Rede in Athen macht er vielmehr klar: Gott zu erkennen mündet darin, dass wir zu ihm umkehren. „Wendet euch ihm zu!” sagt Paulus. „Macht euer Leben zu einem Leben mit Gott!”

Und dieser Ruf in die Umkehr gilt immer! Auf dem Areopag genauso wie auf der sommerlichen Wiese!

Ihr Björn-Christoph Sellin-Reschke

Monatsspruch Juni 2021

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Apostelgeschichte 5,29

Lieber Leser, liebe Leserin,

gehorchen und Gehorsam, diese Wörter sind aus der Mode gekommen. In der Erziehung heute geht es nicht um Gehorsam, am Arbeitsplatz auch nicht. Wer einen Hund hat, kann mit dem Wort vielleicht etwas anfangen. Schon für das Leben mit Katzen taugt es wenig.

Was also wird hier von einem verlangt? Wie würden Sie das Wort „gehorchen“ erklären?

Vielleicht so: Sich dem Willen einer anderen Person oder Autorität unterordnen und das tun, was sie sagt oder anordnet. Dieses Wort fragt nicht danach, ob die Anordnung nachvollziehbar ist oder ob sie Sinn ergibt.

Gehorchen ist ganz dicht am blinden Gehorsam, der weder nachfragt noch nachdenkt, sondern ausführt. Egal, was diese Autorität von mir verlangt. Damit ist das Wort verdächtig. Einfach so zu gehorchen, das ist kein guter Weg.

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Dieser Satz ist ein Satz gegen den Gehorsam. Kein Mensch darf einen blinden Gehorsam fordern. Niemand braucht sich so einer Forderung zu unterwerfen. Ich kann tun, was der andere mir sagt. Ich kann Regeln der Gesellschaft beachten, aber es braucht mein Einverständnis. Der andere muss sich die Mühe machen, mir zu begründen, was er von mir fordert. Alle Infektionsschutzmaßnahmen, alle Regeln, die wir derzeit beachten sollen, müssen nachvollziehbar sein. Wir erleben, dass Maßnahmen nicht umgesetzt werden, wenn sie nicht einleuchten.

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Dieser Satz ist ein Satz für den Gehorsam. In einer Nachdichtung zu Psalm 47 schreibt Sylvia Bukowski: „Ihm zu dienen, macht uns frei. Ihm zu gehorchen, macht uns mündig.“ Gott fordert keinen blinden Gehorsam, sondern gibt mir einen Kompass, um im Hier und Jetzt zu handeln. Der Kompass, der sich immer wieder ausrichtet Richtung „Nächstenliebe“ oder „Mitmenschlichkeit“, Richtung „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“.

Es ist gar nicht so einfach in dieser Zeit, in der so viele Regeln aufgestellt, gelockert und Lockerungen zurückgenommen werden, den Kompass immer wieder neu auszurichten. Mir hilft er, Einschränkungen gelassener hinzunehmen, denn sie schützen die anderen. Und bei all dem nicht aus dem Blick zu verlieren, was zählt.

Herzliche Grüße und bleiben Sie behütet

Ihre Barbara Neubert   

Monatsspruch Mai 2021

Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen. Sprüche 31,8

Menschen verstummen – angesichts dessen, was sie erlebt haben. Menschen wagen nicht länger, ihren Mund aufzutun, weil sie schlimme Folgen befürchten. Manchem verschlägt es die Sprache – besser ist: keinen Pieps mehr von sich zu geben! Andere wiederum sind stumm von Geburt an.

Von Jesus hören wir, wie oft er sich einsetzte, damit Menschen wieder reden.

In einer besonders bewegenden Geschichte begegnet Jesus einem Gehörlosen, der nur noch stammeln kann. Jesus berührt seine Zunge, blickt seufzend zum Himmel auf und betet: „Hefata!” – das heißt.: „Tue dich auf!” (Mk7,31ff.)

Jesus will, dass Menschen eine Stimme haben!

Der Monatsspruch ermutigt dazu, dass auch wir allen denjenigen eine Stimme verleihen, die sie sonst nicht hätten: „Öffne deinen Mund für den Stummen, für das Recht aller Schwachen.” Zu diesem Einsatz sind wir gerufen.

Das ist ganz schön viel verlangt, denke ich da, wenn ich wirklich alle Schwachen mit meinem Engagement im Blick haben müsste, wie es der Monatsspruch fordert.

Aber es wäre schon viel, wenn jede und jeder eine Aufgabe im Blick behielte:

Engagiere ich mich für die Obdachlosen unserer Stadt? Setze ich mich dafür ein, dass der Corona-Impfstoff nicht nur zwischen den reichen Ländern verteilt wird, während die Ärmsten (mal wieder) leer ausgehen? Ist mir der behinderte Nachbar wichtig, der von den andern so oft gehänselt wird? Setze ich mich für die Verständigung unter den verschiedenen Nationen in unserer Stadt ein (auch, wenn in diesem Jahr noch einmal der Karneval der Kulturen zu Pfingsten ausfällt)?

Alles das sind Möglichkeiten, wo ich meinen Mund auftun kann und Rechte anderer stärke. Und es gibt natürlich noch unendlich viel mehr.

Um meine innere Bereitschaft für solchen Einsatz wach zu halten, muss ich vielleicht das eine oder andere Mal wie Jesus beten: „Hefata – tue dich auf!” – und damit nicht nur meinen eigenen Mund meinen, sondern auch mein Herz!

Denn wie oft verschließe ich mich gerade dort in meinem Herzen vor dem vielfältigen Unrecht, das geschieht: schaue weg oder werde selbst einer von denen, die verstummen.

Hefata – tue dich auf, mein Herz!
Hefata – tue dich auf und stehe mit deinen eigenen Worten ein – für andere!                                                      
Ihr Björn Sellin-Reschke

Monatsspruch April 2021

Christus ist Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Kol 1,15

Liebe Leserinnen und Leser,

nicht jeder Vers der Bibel hat sofort eine Bedeutung für unser tägliches Leben.
Das muss er auch nicht. Es macht ja durchaus Sinn, sich mit einer Frage des Glaubens zu beschäftigen, um Gott besser zu verstehen oder wegen der Schönheit des Glaubens. Mit diesem Vers aus dem Kolosserbrief haben wir so einen Satz. Es passiert nichts, kein Verb, das von einer Aktion erzählt. Er ist eher ein Portrait, das in Ruhe betrachtet werden will. 

Wenn Sie Gott malen sollten, wie würde Ihr Portrait aussehen?

Würden Sie einen Mann mit einem freundlichen, klugen Gesicht zeichnen  oder einen älteren, mit langem grauen Haar, der einen streng und wissend anschaut? Oder würden Sie Ihr Bild gegen die klassische Vorstellung malen und Gott als eine Frau zeichnen, mütterlich, tatkräftig und auf jeden Fall weise. Oder ist Ihnen eine abstrakte Malweise näher: Ein Bild ganz in Weiß und Gelb oder Rot als der Farbe der Liebe, die Gott ja ist?

Wenn Sie Gott malen sollten, wie würde Ihr Portrait aussehen?

Sie könnten mir entgegenhalten: „Du sollst dir kein Bildnis machen!“, so steht es in den zehn Geboten, so wird es in den Reformierten Kirchen und Synagogen gehalten. Kein Gemälde von Gott ist dort zu sehen. Dieses Gebot macht Sinn, damit wir Menschen uns nicht auf ein Bild festlegen und am Ende Gott mit einem älteren Herrn verwechseln. Gott kann man nicht malen – aber er soll erkennbar sein.

„Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“.
Mich erinnert das an die Erzählung von der Schöpfung im 1. Buch der Bibel: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde.  (1. Mose 1,27).

Wenn die Portraits von Gott so menschlich wirken, dann hat das seinen Grund: wir sind geboren und sehen Gott ähnlich. Da kann einem sofort der Atem stocken, denn zu oft verwechseln Menschen diese Ähnlichkeit und handeln, als wären sie Göttern gleich.


Dies ist nicht gemeint, kann nicht gemeint sein. An Christus können wir das Ebenbild Gottes erkennen. Auch von ihm haben wir kein Portrait. Zum Glück. Jesus hat seine Ebenbildlichkeit gelebt. Damit ist sie nicht nur ein Bild sondern ein Tuwort. Das Bild gerät in Bewegung – für Frieden und Gerechtigkeit und Liebe. 

Barbara Neubert

Monatsspruch März 2021

Jesus antwortete: „Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.” Lk. 19,40

Eigentlich kann ich sie nicht leiden: Menschen, die meinen, sie hätten schon deshalb recht, weil sie am lautesten sind. Gerade in dieser Zeit zu erleben: wie viel Aufmerksamkeit diejenigen erhaschen, die sich mit besonders lauter Stimme hervortun. Und manchmal fröstelt es einen, was für Parolen da zu hören sind. 

Auf der anderen Seite könnte ich mir für uns evangelische Christen gut vorstellen, dass wir dann und wann mit mehr Inbrunst von unserem Glauben laut und vernehmbar sprechen. Eher selten, dass wir dies tun und vor anderen in Glaubensüberschwang für Jesus geraten – und das liegt (ausnahmsweise einmal) nicht an Corona, sondern eher an preußisch-protestantischer Zurückhaltung. 

Ganz anders: die Jüngerinnen und Jünger beim Einzug Jesu in Jerusalem. Sie feiern Jesus öffentlich. Sie breiten ihre Kleider vor ihm aus. Richtig ausgelassene Stimmung herrscht da! Doch die Pharisäer können das nicht dulden: „Diesen Jesus als Messias zu feiern – das geht nun wirklich nicht”, so meinen sie! So bringen sie ihre Beschwerde vor Jesus. Und Jesus antwortet: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien! 

In diesem kurzen Wortwechsel steckt der grundsätzliche Streitpunkt, den die ganze Passion Jesu durchzieht: Wer ist dieser Jesus? Darf er als Gottes Gesalbter gefeiert werden?  Was passiert, wenn es kein Halten mehr gibt? Und noch etwas steckt in dieser Antwort Jesu: Während seine Jünger noch fröhlich jubeln können, spricht Jesus hingegen vom „Schreien”.  In diesem von ihm benutzten Ausdruck schwingen plötzlich Schmerz und Klage mit – über Leid und Zerstörung von Leben und Hoffnung.

Eine junge Muslima hat mir einmal erzählt, wie gespannt sie auf ihr erstes Osterfest war, als sie nach Deutschland kam. Sie hatte bisher keinen Kontakt zu Christen. Vom Kreuz und der Auferstehung hatte sie nur gehört. Nun erwartete sie eine öffentlich-klagende Menschenmenge am Karfreitag – und umgekehrt: ein lautes Jubeln auf den Straßen am Ostersonntag. Beides geschah nicht!

Was also bedeutet mir die Passionszeit und umgekehrt das Osterfest? Was bedeutet mir Jesus: sein Leben, sein Leiden? Höre ich in mich hinein! Und trage es dann – an geeigneter Stelle – auch einmal vernehmbar nach außen.

Ihr Björn Sellin-Reschke

 

Monatsspruch Februar 2021

Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind. Lukas 10,20

Liebe Leserinnen, lieber Leser,

ein Blick in den Himmel, aus allem, was niederdrückt
mich den Blick auf den Boden heften lässt:
Sitzt meine Maske richtig?
Kommt mir Keiner zu nahe?
Wie hoch sind die Infektionszahlen,
was darf man gerade nicht,
wie soll das weiter gehen
und sind die Hände desinfiziert ?

Ein Blick in den Himmel,
egal ob wintergrau oder wolkenleer,
in Blick in den Himmel,
dort steht es,
ein Name - deiner und deiner und
meiner.

Liebe Leserinnen und Leser,

was für ein Vers für diesen Monat. Er stammt aus dem Lukasevangelium, aus einer kurzen Rede Jesu.
Ein merkwürdiges Bild, das in der Bibel nur hier so vorkommt: In den Himmel geschriebene Namen. Wer sie dahin geschrieben hat, warum und wozu? Keine Aussage dazu.
Gesagt hat Jesus diese Worte zu 72 Jüngern, die unterwegs gewesen waren, um Menschen vom Reich Gottes zu erzählen. Nun sind sie zurück und erzählen Jesus, was sie erlebt haben. Voller Freude und auch Stolz sind sie.

Jesus holt sie nicht auf den Boden der Tatsachen zurück, sondern in die Weite des Himmels.

Mir war, als wäre dieser Satz wie für uns gemacht in diesem Winter, in dem wir so viel Kraft brauchen, damit weniger Menschen krank werden, in dem so mancher am Verzweifeln ist. Schon allein der Blick in den Himmel verändert. Mein Horizont wird ein anderer. 

Es tut gut, sich den Blick in den Himmel zu gönnen. Auch, wenn im Wintergrau keine Namen leuchten. Ich stelle sie mir vor. Die Namen der Menschen, die ich in der Woche gesprochen habe, dazwischen meinen eigenen. Die Namen stehen dort wie der Regenbogen: Gott liebt diese Welt und wird sie bewahren.

Himmlische Entdeckungen in diesem Februar wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch Januar 2021

Viele sagen: „Wer wird uns Gutes sehen lassen?“ HERR, lass leuchten über uns das Licht deines Antlitzes! Psalm 4, 7 (L)

Wie ein Stoßgebet klingt der Monatsspruch für diesen ersten Monat des neuen Jahres. Wie der Seufzer eines Menschen in Not. Vielen mag das in diesem Corona-Winter aus der Seele sprechen, in dem wir von so vielen Menschen für immer Abschied nehmen mussten. Das schmerzt. Jetzt besonders.

So vieles war im letzten Jahr unmöglich, an so vieles vor Jahresfrist noch schier Undenkbares haben wir uns längst gewöhnt. Ans Maskentragen zum Beispiel und – für mich weit schlimmer – an die eingeschränkten Kontakte zu uns liebsten Menschen, gerade an höchsten Fest- und Feiertagen.

Viele sehnen sich danach, einmal wieder liebevoll in den Arm genommen zu werden und die Nähe eines anderen Menschen zu spüren, mit dem sie nicht zusammenleben. Oder auch einem Kranken oder Sterbenden die Hand zu halten.

Wir leben in einer harten Zeit. Geduld und Abstand, Selbstbeschränkung und Rücksicht auf andere sind lebensnotwendig, damit nicht noch mehr Menschen erkranken und sterben.

Wann wird das ein Ende haben?
Wer kann helfen?

Viele hoffen auf die Impfung gegen das Corona-Virus. Aber wer soll und will sie bekommen, wer zu den ersten zählen? Und: Gönnen wir sie auch anderen in fernen Erdteilen, bevor wir selbst an der Reihe sind?

Der Psalm setzt seine Hoffnung auf Gott. Der Betende glaubt, dass Gott uns unser Leben schenkt und es bewahrt, bis Gott es nach unserem Tod zu sich zurücknimmt. Der Psalm vertraut darauf, dass wir Gesegnete sind und Gott uns liebevoll begleitet. Dieser Segen wurde uns persönlich zugesprochen in unserer Taufe, bei der Konfirmation und der kirchlichen Trauung - auch als Segen für die Gemeinde am Ende jedes Gottesdienstes.

Gottes Segen stärkt uns für unseren Weg. Auch in diesem neuen Jahr. Das Licht des gerade vergangenen Weihnachtsfestes leuchtet für uns und alle Welt weiter, weit ins Jahr hinein. Es erinnert uns daran: Gott ist einer von uns geworden und geht mit uns durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Gott selbst erhellt die Dunkelheit. Mit diesem Trost und in solcher Hoffnung dürfen wir dieses neue Jahr beginnen. Wir sind nicht allein. Gott sei Dank!

Sabine Ost, Pfn. i.R.

Monatsspruch Dezember 2020

Brich dem Hungrigen dein Brot und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Jesaja Kapitel 58, Vers 7

Vorweihnachtszeit ist Spendenzeit. In ihrer Vorfreude auf das Fest lassen sich mehr Menschen als sonst im Jahr für die Unterstützung Notleidender ansprechen. Das ist gut so, denn die Not ist groß. Immer noch. Immer wieder. Und dieses Jahr mehr als in den Vorjahren, bei uns und erst recht in weniger wohlhabenden Stadtteilen und Weltgegenden als hier. 

Hilfe für Notleidende ist ein uraltes Gebot vieler Religionen, auch von Judentum, Christentum und Islam. Darum gelten die viele Jahrhunderte vor Christus niedergeschriebenen Worte des Jesaja auch für uns. 

Sehen wir die Not der Obdachlosen, die sich in diesem Jahr dramatisch steigerte? Und die Menschen mit geringem Einkommen, die keine bezahlbare und menschenwürdige Wohnung finden? Denken wir an die Kinder, deren Bildungschancen der Lockdown weiter verringerte? Lässt es uns kalt, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken und Griechenland, Italien und Spanien ihnen weder Obdach noch Perspektive bieten können – aber die Binnenländer der EU wie unseres ihre Grenzen geschlossen halten und auf EU-Regelungen hoffen?

Die Not ist groß! Schieben wir die Verantwortung dafür nur ‚der Politik‘ zu – oder werden wir selbst aktiv? Was kann ich, was können Sie zur Linderung beitragen? Wir konnten dieses Jahr viel weniger reisen als früher, weniger ausgehen, weniger Geld beim Shoppen oder für Kultur ausgeben. Viele haben also mehr im Portemonnaie als sonst.

Freilich: Manche mussten Einkommensverluste verkraften, müssen mit wirtschaftlicher Unsicherheit leben. Viele wissen kaum noch, wie es für sie weitergeht. Auch sie brauchen unsere Unterstützung! Aber: Meine Rente ist sogar gestiegen, auch andere leben weiterhin in Sicherheit und Wohlstand. Wir könnten leicht abgeben an die, denen es nicht so gut geht wie uns.

Darum sollten wir dieses Jahr besonders großzügig sein. Die Not ist gestiegen, nicht nur bei uns, sondern vor allem auch in fernen Ländern. Dort gibt es keine Rettungsschirme der Regierung wie hier. Einnahmen, z.B. aus dem Tourismus brachen ersatzlos (!) weg. Menschen hungern. Vergessen wir also auch diese „fernen Nächsten“ nicht.

Sabine Ost, Pfarrerin i.R.

Monatsspruch November 2020

Unter Weinen kommen sie, mit Erbarmen geleite ich sie! Jer. 31,9

Liebe Leser und liebe Leserinnen,

im November erinnere ich mich an zwei geschichtliche Daten: 09. November 1938 und 09. November 1989. Während der 09.November 1989 für mich ein Glücksdatum der Geschichte ist, betrübt mich die Erinnerung an den 09. November 1938 auch nach 82 Jahren. Fassungslos, wohl oft unter Weinen werden Juden in Deutschland sich um die Tage des 09. November 1938 gesammelt und versammelt haben. Einige wohl unter dem Bewusstsein von „Das war der Auftakt nur“ andere in der trügerischen Hoffnung „Das Schlimmste haben wir nun überstanden“.

Heute nach 82 Jahren wissen wir, wie die Geschichte ausgegangen ist: Es musste weiterhin geweint werden, und ob der Herr sich seines Volkes erbarmt hatte, darüber ist spätestens seit den 70er Jahren in der Theologie nach Auschwitz gestritten worden.

Zur Wahrheit der Verheißung des Jeremias gehört auch der Umgang mit der Erinnerung an dieses Verbrechen im 21. Jahrhundert:

•   Da fordert der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke während der sog. Dresdner Gespräche 2017 „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ und bezeichnet das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in der Mitte Berlins als Denkmal der Schande.
•   Der AfD-Vorsitzende, Alexander Gauland, spricht 2018 davon, dass „Hitler und die Nazis nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ sind.

Demgegenüber und im Bewusstsein, dass die Leugner und Relativierer der Vergangenheit nicht das letzte Wort haben, möchte ich an das Erinnerungsprojekt „Stolpersteine“ erinnern. Wir alle kennen diese kleinen Denkmäler und unsere Gemeinde ist mit rund 25 Stolpersteinen eine großartige Hüterin dieser wertvollen Erinnerungssteine. Europaweit sind mittlerweile rund 75.000 Stolpersteine verlegt: eine auf Köln beschränkte Initiative im Anfang ist zu einer europaweiten Bewegung geworden, die nicht von rechten Regierungen, Parteien, Gruppen und Einzelnen aufgehalten werden konnte.

Für mich zeigen sich auch im Projekt „Stolpersteine“ die Worte unseres Monatsspruchs: Ausgangspunkt waren Tränen. Diejenigen, die erinnern und sich erinnern lassen, und diejenigen, an die erinnert wird, stehen unter dem Erbarmen (Schutz) des Herrn. Deshalb ist es uns so wichtig, an die Namen und das Leben der Opfer der NS-Zeit zu erinnern.

Wenn Sie diese Zeilen gelesen haben, dann bitte ich Sie um einen kleinen Gefallen: Gehen Sie jetzt oder spätestens morgen auf die Suche nach einem Stolperstein, lesen Sie die Informationen und bringen Sie den kleinen Stein wieder zum Glänzen (geht ganz einfach mit Felgenreiniger und einem Lappen)! Auf www.projekt-stolpersteine.de können Sie nachlesen, wo ein Stein liegt, und finden Hinweise zu den Menschen, für die sie gelegt wurden.

Lothar Schnepp, | Projekt Stolpersteine

Monatsspruch Oktober 2020

Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s euch auch wohl. Jer 29,7

Das Beste für die Stadt suchen - was heißt das? Im diesem Pandemieherbst wohl: Auf Abstand achten, die Hygieneregeln einhalten, Mund-Nase-Schutz tragen. Ich gebe zu, das ist unbequem. Aber wenn es mein und fremde Leben schützt, tue ich es gerne. Sie bezweifeln die Krankheit, glauben nicht an ihre die Gefährlichkeit, die Zahlen? Sie halten sich selbst für den*die maßgebliche Expert*in, vertrauen niemand sonst? Das traue ich mich in unserer hochkomplexen Welt nicht.

Manche finden ihre Meinungsfreiheit ist eingeschränkt - dabei dürfen sie alles öffentlich sagen, posten und dafür demonstrieren, notfalls sogar gerichtlich bestätigt. Nicht überall genießen Menschen solche Freiheit! Die endet aber, wenn Demokratiefeinde und Staatsverächter allgemeinen Protest für ihre Zwecke instrumentalisieren. Wohin das führen kann, zeigt die deutsche Geschichte: Nach 1945 waren viele Städte in vielen Ländern zerstört, Menschen vernichtet, die Welt stand vor dem Abgrund. Darum gilt heute: Wehret den Anfängen! Mit solchen Demonstranten darf man sich nicht gemein machen, sie auf keinen Fall schweigend tolerieren.

Gut für unsere Stadt ist auch, im Dialog miteinander nach Lösungen zu suchen, z.B. für den Kranoldplatz, für mehr Fahrradwege (u.a. am Hindenburgdamm), andere Straßennamen oder neue (Wohn-)Bebauung. Nur wenn Betroffene beteiligt sind, kann die beste Lösung gefunden werden, von der möglichst wenige sich übergangen fühlen. Denn das Beste für die Stadt ist letztlich auch das Beste für ihre Bewohner*innen. Weil die sehr vielfältig sind, sollten wir aufmerksam hinschauen und einander gut zuhören. Das Wohl unserer Stadt sollte uns die nötige Geduld und Zeit wert sein.

Der Prophet Jeremia wandte sich etwa 700 v.Chr. an Menschen, die aus Jerusalem nach Babylon deportiert worden waren und forderte sie auf, für die Stadt ihrer Feinde zu beten. Welche Zumutung! Aber: Im Gebet wechseln wir die Perspektive, denken nicht nur an uns und unsere Anliegen, sondern auch an andere Menschen und das, was sie für ein zufriedenes, glückliches Leben brauchen. Wir wenden uns damit Gott zu und versuchen alles mit Gottes Augen zu sehen. Im Gebet können wir Gottes Kraft in uns wahrnehmen und werden offen und durchlässig für Gottes Liebe - zum Wohl aller in unserer Stadt.

Sabine Ost, Pfn. i.R. 

Monatsspruch September 2020

Der Herr ist gütig und eine Feste zur Zeit der Not und kennt die auf ihn trauen. Nahum 1,7

Liebe Leser und Leserinnen,

manchmal begegnen mir Bibelverse, die ich lange nicht gehört habe. Manche sind sperrig und fremd. Ich muss sie lange abklopfen, um sie zum Klingen zu bringen. Andere sind so, als seien sie für hier und jetzt geschrieben. Andere lege ich weg. Wenn ich sie Jahre später wieder lese, fällt mir ihre Schönheit auf.

Ich besuchte ein Ehepaar, das seine Goldene Hochzeit vorbereitete. Sie hatten ihr Stammbuch zurecht gelegt. 1970 der erste Eintrag: Ihre Kirchliche Hochzeit. Der Pfarrer hatte ihnen den Trauspruch ausgesucht: „Der Herr ist gütig und eine Feste zur Zeit der Not und kennt die auf ihn trauen.“

Ich weiß nicht, ob dies ein Satz ist, der Sie sofort anspricht oder der Ihnen weit weg scheint von dem, was Ihr Leben ausmacht. Der Satz klingt, als sei er aus den Psalmen, und ist doch von einem Propheten. Dieser Prophet hat einen Psalm notiert und daraus ist dieser Vers.

Propheten sind Menschen, die dafür sorgen, dass das Gespräch nicht abbricht, dass weiter mit Gott geredet wird. Wie auch immer die Situation ist, es gibt keinen
Grund, sich nicht mit Gott zu bereden. Keine Not ist zu groß, kein Schmerz zu unbedeutend, kein Gewissensbiss ist zu schmerzhaft, keine Freude zu strahlend, als dass sie mit Gott nicht beredet werden könnte.

Und Propheten sind Menschen, die dafür sorgen, dass Gott unter uns Menschen im Gespräch bleibt. Keine Not ist zu groß, kein Schmerz zu unbedeutend, kein Gewissensbiss ist zu schmerzhaft, keine Freude zu strahlend, als dass sie Gott nicht berühren würde.

Nahum ist ein Prophet, einer der kleinen. Sein Buch ist nur drei Kapitel lang. So ganz sicher ist man sich nicht, wann er gelebt hat oder unter welchen Umständen
er diese Worte geschrieben hat. Aber er spricht mit Gott und mit den Menschen
und will seinem Namen alle Ehre machen. Nahum bedeutet höchstwahrscheinlich:
Gott tröstet.

Dazu passt der Trauspruch dieses Paares. Als sie mir von ihrem Leben erzählten, war
zu spüren, wie viel Trost sie erfahren hatten und wie viel Güte ihnen begegnet ist.

Zu ihrer Goldenen Hochzeit kommen sie in die Kirche, um Gott dafür zu danken.

Erinnern Sie noch Ihren Trauspruch? Oder den Ihrer Eltern? Es ist spannend, ihn nach zu schlagen. Und wenn Sie mehr über den Vers wissen wollen, melden Sie sich gerne.

Mit einem herzlichen Gruß
Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch August 2020

Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. Psalm 139,14

„Du bist die/der schönste!“ solche Liebeserklärung wärmt das Herz. Doch ich kann sie kaum glauben. Wunderschön – ich? Wunderbar gemacht, wie der Psalm sagt?

Nein, ich kann damit nicht gemeint sein! Mein Bauch ist zu dick, mein Busen zu groß/zu klein, die Lippen zu schmal, die Pobacken hängen. Und meine Füße mag ich gar nicht. Seit langem nicht mehr zu übersehen sind auch die Falten in meinem Gesicht und andere Zeichen des Älterwerdens.

Wenn es aber doch stimmte, dass ich wunderbar gemacht bin? Dann müsste ich nicht mehr verschämt wegschauen, wenn ich mein Spiegelbild sehe oder Fotos von mir, auf denen ich mir nur selten gefalle.

Kinder und Jugendliche müssten sich dann nicht verzweifelt ihrer Traumfigur entgegen hungern, wenn ihr Körper sich für ihr Erwachsenenleben zu runden beginnt. Schönheitschirurgen müssten keine Lippen oder Brüste mehr aufspritzen und niemand einem weltweit verbreiteten Schönheitsideal genügen wollen, ohne Rücksicht auf regionale Unterschiede in Statur und Aussehen.

„Gott hat mich wunderbar gemacht“, heißt es in dem Psalm. Damit gemeint ist nicht nur unser Aussehen. Wunderbar ist auch meine Empfindsamkeit, sind meine Gefühle, meine Lebenslust, Intelligenz und praktische Veranlagung, meine Kreativität. Sie alle spiegeln sich in meinem Körper. Seine Beweglichkeit, seine Formen, seine Stärken und Schwachstellen sind Abbild meiner Persönlichkeit, meiner Geschichte, meines Schicksals.

Vermeintliche kleine Makel lassen sich zwar mit Make-up, geschickt gewählter Kleidung, Sport und gesunder Ernährung kaschieren. Vollkommen weg retuschieren können wir sie nicht ohne unsere Natürlichkeit zu verlieren. Die Unzulänglichkeiten unseres Körpers gehören also zu uns wie unser Schicksal, das uns manche Narbe schlägt. Zusammen mit dem, was wir als unsere Schokoladenseiten empfinden, bilden sie jedoch das Ganze unserer Persönlichkeit.

Wer beginnt sich mit solchen Schrammen, Schrunden und Narben seines Körpers und seiner Seele auszusöhnen, kann vielleicht in den Psalm einstimmen und mit ihm sagen: „Gott, ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“

Pfn. i.R. Sabine Ost

Monatsspruch Juli 2020

Der Engel des Herrn rührte Elia an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. 1.Könige 19,7

Liebe Leserin, lieber Leser,

das wäre es, in einer Situation, in der ich mich am Boden fühle, solch einen Engel zu erfahren, der kommt, mich anrührt und auf das hinweist, was eigentlich ganz banal klingt, in der Situation am Boden jedoch wie ein kaum bezwingbarer Berg erscheint:

„Steh auf und iss.“
Die Pflegehelferin, von ihrem Arbeitgeber zum Dienst verpflichtet – unbenommen der positiv-getesteten Patientin, die sie bis vor kurzem versorgt hatte, unbenommen der unzureichenden Schutzkleidung, unbenommen der Angst, nicht nur sich selbst sondern auch ihre Familie, ihre Schutzbefohlenen zu gefährden.

„Steh auf und iss.“
Der Inhaber des kleinen türkischen Restaurants, schlaflos, weil er trotz Kurzarbeit, seine Angestellten nicht mehr halten, die Miete nicht mehr zahlen kann.

„Steh auf und iss.“
Die Erzieherin, aufgerieben zwischen wechselweise Dienst-vor-Ort und home-office, dem Homeschooling für zwei Grundschülerinnen, dem In-door-Programm für einen entdeckungsfreudigen Dreijährigen und dem Versuch, den „normalen“ Familienbetrieb am Laufen zu halten.

„Steh auf und iss.“
Zu Elia kam der Engel des Herrn – wer wurde, wer wird der Krankenschwester, dem Wirt, der Erzieherin und vielen Ungenannten zum Engel? Der Engel des Herrn rührte Elia an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Es gab und gibt sie, die Engel – auch in den Wochen und Monaten der Pandemie, die sich für viele wie Hölle anfühl(t)en.

Und das lenkt meinen Blick auf das zweite „Sommer-Bibelwort“, das für diese Juli-August-Ausgabe des Paulusbriefes gilt. Ich zitiere es mit einer kleinen Abwandlung:

„Ich danke dir dafür, dass du den Menschen wunderbar gemacht hast; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ Ps 139,14

Unbenommen, dass Angst, Ratlosigkeit, Sorge und Ärger zu den Gefühlen gehören, die in diesen Tagen und Wochen hochkommen – daneben und drum herum empfinde und erfahre ich viel Dankbarkeit für Menschen, die unaufgeregt und selbstverständlich ihren Teil dazu beitragen, dass der Ausnahmezustand erträglich bleibt. Ich hoffe und wünsche, dass auch Sie den ein oder anderen „Alltags-Engel“ erlebt haben. Und da dies der letzte Artikel zum Monatsspruch in meiner Dienstzeit ist, nutze ich die Chance, den „Dankbarkeits-Blick“ zu weiten - habe ich persönlich doch Anlass für Dankbarkeit, wenn ich auf die achtzehn Jahre zurückschaue, die ich Pfarrerin in Paulus sein durfte, achtzehn Jahre Menschen begleiten im All der Tage und an den Schwellen des Lebens, zu Beginn und am Ende, ebenso wie zu Hoch-Zeiten und an den Tiefpunkten: mit weisen Kindern und mit Alten, die ihre Kinderseele bewahrt haben, mit Eltern und Singles, mit Fröhlichen und Traurigen ... der Liebe Gottes zu seiner Schöpfung nachspüren  – welch ein Privileg!

Ich durfte lernen von Menschen, die vorher und mit mir in und für Paulus mit viel Herzblut und Engagement tätig waren, dazu gehören, die  „Hauptamtlichen“ ebenso wie die „Ehrenamtlichen“.
Ich wurde beschenkt mit Offenheit und Hilfsbereitschaft, mit Musik und kreativen Ideen, mit Kollegialität und Geschwisterlichkeit.

Es wird mir nicht gelingen, jeden Dank im Einzelnen an den Mann, die Frau zu bringen, darum gebe ich ihn an dieser Stelle schon einmal pauschal an den, dem wir uns alle verdanken. Dabei vertraue ich darauf, dass der Dank auf diesem Weg auch wieder bei Ihnen und Euch ankommt, und sage: „Gott, ich danke dir dafür, dass du den Menschen wunderbar gemacht hast; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“

Voll Dankbarkeit und mit allen guten Wünschen für Sie und Euch und „Paulus“,
Ihre und Eure Gabriele Helmert

Monatsspruch Juni 2020

Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder. Könige 8,39

Liebe Leser und Leserinnen,

der Vers für diesen Monat stammt aus einem Gebet, das Salomo spricht, als der Tempel eingeweiht wird. Wie lange haben Menschen auf diesen Tag gewartet, die lange Bauzeit ist zu Ende – nun stehen sie im Tempel, endlich.

Wie lange haben sie auf diesen Tag gewartet: eigentlich hatte schon David, Salomos Vater, den Tempel bauen wollen, durfte aber nicht. Die Steintafeln, die Mose von der Wanderung durch die Wüste mitgebracht hatte, sollten ein Haus haben, einen Ort, an dem sie bleiben können. Jetzt war der Tag gekommen, die Menschen konnten zum ersten Mal im Tempel stehen und beten und singen und feiern.

Ich schreibe diese Sätze in der Vorbereitung auf die erste Andacht in unserer Pauluskirche nach so vielen Wochen. Seit dem 15. März haben wir nicht mehr in der Kirche zusammen gebetet und den Segen empfangen.

Beten geht auch ohne Kirche, sich gesegnet fühlen geht auch, ohne ein Gotteshaus zu betreten, das habe ich erlebt – aber etwas fehlt, fehlt ganz gewaltig.

David ist das so gegangen, Salomo auch. Dann hat er das Gottes-Haus gebaut. Zur Einweihung sagt er: „Gelobt sei Gott. Gott, der Du uns kennst und verstehst. Wenn wir dich hier bitten, so höre uns.“ Der Tempel ist ein Ort, an dem Salomo sich sicher ist, dass Gott zuhört: „Wenn eine Hungersnot oder Pest oder Dürre oder Heuschrecken oder Raupen im Lande sein werden oder irgendeine Plage oder Krankheit da ist – wer dann bittet und fleht, jeder in seinem Herzen, und breitet seine Hände aus in diesem Hause, so wollest du hören im Himmel, an dem Ort, wo du wohnst, und gnädig sein.“ (Verse 37 und 38*).

Wenn irgendeine Plage oder Krankheit da sind ..., wie aktuell klingen diese Worte. Die Plage und Krankheit Corona ist da. Die Sorge vor der Rezession, die Sorge, wie dies alles mit dem Klimawandel zusammen hängt, beide sind da. Wie gut, wenn wir da einen Ort haben, an dem Gott zuhört. Nicht den Tempel, aber unsere Pauluskirche.

Seit dem 10. Mai können wir es wieder zusammen tun. Dafür bin ich sehr dankbar. Kommen Sie vorbei, nehmen Sie Platz. Hier können Sie schweigen und reden. Gott, der Sie kennt und versteht, hört zu.

Herzliche Grüße
Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch Mai 2020

Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! 1. Petr 4,10

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

und es geschieht – das Dienen, zu dem der Schreiber des Petrus-Briefes auffordert.
Der Paulus-Brief für den Monat Mai, dem dieses Bibelwort zugesellt ist, entsteht in der Ausnahme-Situation, in die das Covid-19-Virus mehr oder weniger ausnahmslos unseren Planeten versetzt hat. Wir verfolgen die Nachrichten, die Nachrichten verfolgen uns, Zahlen, Statistiken, Berichte.

Aktuell gilt: Das gesellschaftliche Leben, die Produktion, die bisher normalen Handlungsabläufe und auch unser Gemeindeleben – lahmgelegt. Die Passionszeit – verlängert. Die Sehnsucht nach Auferstehung – so groß wie selten.

In diese Situation hinein heißt es: "Dient einander!"  – Und es geschieht.

Nicht immer, nicht auf allen Ebenen. Und doch hören wir davon, erzählen wir uns immer wieder von überraschenden, fantasievollen, hilfreichen, oft auch zu Herzen gehenden Ideen und deren Umsetzung, um in dieser Krisenzeit nicht unterzugehen, nicht den Mut und die Hoffnung zu verlieren. Das tut gut. Das ist überlebenswichtig für Leib und Seele.

Was mir bei diesem Petrus-Wort auffällt und gefällt: Die Auf-Forderung zum Dienen (zugegeben, ein in unseren Ohren vielleicht antiquierter Ausdruck) mag vielleicht eine Heraus-Forderung sein, wird jedoch nicht zur Über-Forderung. Zumindest dann nicht, wenn ich auch dem letzten Halbsatz Raum gebe:

„… jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“

Auch wenn es am Ende steht – das „Empfangen-Haben“ geht allem voraus. Gottes gute Gaben – uns gegeben!

Nicht einem alles. Nicht allen alles …; jede und jeder hat seine, ihre Gaben bekommen. Das gilt es als feste Konstante in das eigene Leben zu integrieren, um sie dann einzusetzen, diese Gaben, sie mit den Gaben anderer zusammenzubringen, sich so gegenseitig zu ergänzen.

Wo immer das geschieht, erfahren wir: Es gibt sie, die kleinen und großen Auferstehungen  j e t z t, mitten im Leben.

Ich wünsche mir und uns allen, dass wir immer mehr Sinne für diese Auferstehungserfahrungen entwickeln. Wir brauchen sie, sie stärken uns - nicht nur in Zeiten von Corona.
Bleiben Sie behütet!

Gabriele Helmert

Monatsspruch April 2020

Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. 1.Kor 15,42

Liebe Leser und Leserinnen,

mitten im Frühling lesen wir diesen Monatsspruch; während um uns herum alles grünt, die Bäume in Blüte stehen, Blumen und Wildkräuter um die Wette wachsen, wird in der Kirche vom Sterben geredet. Während sich die Luft mit Vogelgezwitscher und dem Duft der Linden füllt, sich so viel Licht und Schönheit entdecken lässt, lesen wir in der Bibel von der Verwesung.

Die Passionszeit und noch einmal verstärkt erinnert die Karwoche an das Leiden und Sterben Jesu. Jesus wusste, was auf ihn zukommt. Er hat dem Tod ins Auge geblickt und ist mit diesem Wissen seinen Weg weiter gegangen. 

Jedes Jahr wieder ist das für mich schwer auszuhalten. Denn ich glaube, dass Gott ein Gott des Lebens ist, der für uns Menschen Leben und Freude und Glück will.

Warum dann dieses Grauen, an das wir an Karfreitag erinnern: In Jesus geht Gott selbst in den Tod. Er überwindet die letzte Grenze. Wozu muss das sein?

Am Gründonnerstag jährt sich der Todestag von Dietrich Bonhoeffer zum 75. Mal. Der Pfarrer, Theologe und Kirchenlehrer wurde in Flossenbürg nur wenige Tage vor Ende des 2. Welt-krieges am frühen Morgen im Hof des Konzentrationslagers erhängt. 39 Jahre ist er alt geworden. Zuvor hatte er mehrere Möglichkeiten ausgeschlagen, dem Tod aus dem Weg zu gehen. Freunde wollten ihm helfen, in die USA, nach England, nach Schweden zu fliehen. Er hat diese Angebote abgelehnt. „Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christliche Haltung,“ schreibt er, und „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie es für andere ist.“ 

Am Gründonnerstag feiern wir das Abendmahl, erinnern an das letzte Fest mit Jesus. Christus gibt sich hin, in Brot und Wein. Wir können ihn in uns aufnehmen. Dietrich Bonhoeffer schrieb aus dem Gefängnis:

       Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
       sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
       stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
       und vergibt ihnen beiden.

Was dann geschieht, ist ein Wunder, jedes Jahr wieder: Es wird Ostern. Das Leben ist da: „Es wird auferstehen unverweslich.“ Unverwüstlich ist diese Liebe Gottes, die neues Leben schafft und die uns leben lässt.

Jedes Jahr wieder staune ich darüber und versuche Worte zu finden, die dieses Wunder beschreiben könnten. Diese Worte von Paulus gehören dazu. 

So wünsche ich Ihnen eine gute Karwoche und ein fröhliches Osterfest
Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch März 2020

Jesus Christus spricht: Wachet! Mk 13,37 (L)

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Wachet“.  Nein, eigentlich will sie schlafen, durchschlafen. Endlich mal wieder.
Genug gewacht. Nächte durchgemacht. Erst des Feierns, dann des Lernens und Arbeitens wegen. Nächte durchgewacht. Erst der Kinder, dann der alt werdenden Eltern wegen. Mittlerweile durchwachen, weil der Schlaf woanders ist.

Und nun dies - ein eindeutiger Appell von Jesus: „Wachet!“

Das Etymologische Wörterbuch listet drei Bedeutungen für das Verb „wachen“ auf:
1) wach, munter sein, nicht schlafen
2) wach bleiben, um jemanden zu betreuen, zu behüten
3) aufpassen, über jemanden oder etwas wachen

Dem Evangelisten Markus ging es um Letzteres.
Er schreibt „sein“ Evangelium vermutlich kurz nach der Eroberung Jerusalems durch die Römer. Apokalyptische Erwartungen und Befürchtungen sind aufgekommen. Die junge Gemeinde soll angesichts drohender Verfolgung gestärkt werden. Wachet! Achtet auf die Zeichen der Zeit! Wartet auf das Kommen Christi!

Die Erwartung, dass Christus bald nach Jesu Tod und Auferstehung wieder kommen wird, ist nicht in Erfüllung gegangen.

Warten wir überhaupt noch auf Ihn?
Welchen Anlass hätten wir zu wachen?

1001,  meine ich.
Ich habe kein Bild, kein überprüfbares Wissen, was „Wiederkunft Christi“ heißt.
Was ich habe, ist die biblische Überlieferung. Gemäß ihr ist Christus in dem, der mir gegenübersteht, in der, die meine Zuwendung braucht, in der Schöpfung, die leidet.

Darum: Es braucht beides – das Schlafen und das Wachen.
Es braucht den erholsamen Nachtschlaf, um im Sinne Jesu wach und aufmerksam zu sein für Christusbegegnungen. Das gilt für jene Christusbegegnungen, die uns im Alltag geschenkt sind, die uns stärken, die uns immer mehr die werden lassen, als die Gott uns gemeint hat. Und es gilt für die Ereignisse und Begegnungen, die uns herausfordern, denen unser Mitgefühl, unsere Einmischung, unser Herzblut gelten muss.

Die Passionszeit ist in dieser Hinsicht Hoch-Zeit – eine hohe Zeit, achtsam zu sein für das Leiden von Jesus, für das Leiden von Christus, für das Leiden der Schöpfung.
Dabei gilt: wir dürfen den Passionsweg gehen in dem Wissen um Ostern, um Auferstehung. Welch ein Privileg!

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch Februar 2020

Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte. - 1.Kor 7,23

Liebe Leser und Leserinnen,

ich kenne eine Frau, die hat eine innere Freiheit, die sie ausstrahlt. Eine sehr liebenswürdige und freundliche Frau. Niemandem muss sie etwas beweisen, weder sich noch anderen. Das letzte Wort zu behalten, ist ihr nicht wichtig. Aber sie lässt sich auch nicht dazu überreden, etwas zu tun, was sie nicht will. Sie lässt sich nicht verbiegen, weder von ihrem Arbeitgeber noch von den Nachbarn noch in der Gemeinde.
Sie wird dafür nicht laut oder unhöflich. Sie tut einfach, was sie für richtig hält. Sie hat eine innere Freiheit und das beeindruckt mich sehr.

Ich glaube, dass Paulus dies meint, wenn er sagt: Macht euch nicht zu Knechten der Menschen.

Ihr lebt in unterschiedlichen Verhältnissen, seid arm geboren oder reich. Ihr habt 13 Jahre lang die Schule besucht oder neun, seid mit einer Muttersprache aufgewachsen oder mit zwei; wie auch immer ihr lebt, macht euch nicht zu Knechten der Erwartung anderer. Seid frei zu tun, was ihr tun müsst.

Ich verstehe diese Worte von Paulus als eine große Erlaubnis: Du musst dich nicht den Meinungen und Erwartungen der anderen anpassen. Höre auf deine Berufung als Christ und tue, was du für richtig hältst. Das bedeutet mitnichten, dass es nur für dich gut sein muss.

In unserer Gemeinde gibt es viele, die sich ehrenamtlich engagieren, die kein Geld dafür bekommen. Ohne Arbeitsvertrag sind sie da, engagiert und verlässlich. „Warum tust du das? Gibst deine Zeit (und manchmal auch deine Nerven) und bekommst nicht einmal Geld dafür?“ Alle Ehrenamtlichen in Paulus kennen diese Frage und haben für sich eine Antwort darauf gefunden.

Die Antworten sind unterschiedlich: Weil es Spaß macht oder weil sie etwas zurück geben wollen. Weil es gut tut zu sehen, dass man etwas bewirkt. Weil sie das schon immer gemacht haben oder gerade anfangen, es auszuprobieren. Weil es anderen hilft und weil sie gefragt worden sind, oder einfach, weil es richtig ist. Und immer tun sie es mit einer inneren Freiheit. Ehrenamt ist freiwillig.

Für all dieses Engagement sind wir Hauptamtlichen von Herzen dankbar. Paulus ist so lebendig und bunt, weil sich so viele engagieren. Ich bin mir sicher, dass auch Christus dankbar ist, dass es Menschen gibt, die sich für seine Sache engagieren.

Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Jahreslosung 2020

Ich glaube; hilf meinem Unglauben. Markus 9,24

Liebe Leserin, lieber Leser,

„… und wann bist du gläubig geworden?“

Innerlich zucke ich immer noch zurück, wenn mir die Situation einfällt, in der ein junger Mann, der seine geistliche Heimat in einer evangelikal-charismatischen Gruppe gefunden hatte, mit ausgestrecktem Zeigefinger und dieser Frage auf mich zukam.

Ja, es gibt Menschen, für die datierbar ist, seit wann sie „Glauben haben“. Für die Mehrheit – behaupte ich mal – ist Glaube jedoch so wenig verfüg- und steuerbar wie Wind und Wetter. Und so unterschiedlich wir ins Leben hineinwachsen, so unterschiedlich wachsen wir in unseren Glauben hinein.

„Ich glaube; hilf meinem Unglauben.“

Glaube – Unglaube … ein ganzes Jahr lang wird uns die Losung begleiten und immer wieder neu Anstoß sein, uns mit unserem Glauben und Unglauben auseinanderzusetzen, unserem Unglauben auf die Spur zu kommen, neu Freude zu finden am Glauben. Dabei können uns die ermutigen, die vor uns diesen Weg gegangen sind.

Wie zum Beispiel dieser Vater, von dem Markus in seinem Evangelium erzählt. Verzweifelt ob der erschreckenden Anfälle, die seinen Sohn von klein auf immer wieder zu Boden werfen, hat er schon überall Hilfe gesucht. Vergeblich. Auch die Jünger Jesu, die doch von ihm beauftragt und befähigt worden sind, waren machtlos. Da bleibt nur noch Jesus selber, von dem der Vater so Erstaunliches gehört hat.

Oder nicht? „Wenn du kannst, dann hilf uns!“, so sein Aufschrei. Und: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben.“

Ein „unreiner Geist“ ist nach Markus verantwortlich für die Anfälle. Dass dieser Geist dem Befehl Jesu gehorcht, begründet Jesus später den Jüngern gegenüber mit der Kraft des Gebetes und dem Vertrauen darein.

Glaube ist nicht verfüg- und steuerbar – doch wir können ihn aufsuchen wie ein bergendes Zelt, können um ihn bitten, um ihn ringen, können ihn mit andern teilen und feiern.

Mit dem Wunsch, dass Ihnen dies gelingt, dass Sie im Lauf des vor uns liegenden neuen (Kirchen-) Jahres immer wieder beschenkt und begabt werden mit kraftvollen Erfahrungen des Glaubens und dass Ihnen daraus Fantasie und Mut zum Handeln zuwachsen und Sie so mitbauen an dem, was wir Reich Gottes auf Erden nennen, grüße ich Sie,

Ihre Gabriele Helmert

Dezember 2019

Statt Monatsspruch: Jungfrauengeburt verstehen

Der Monatsspruch für den Dezember ist wunderschön. Er lautet: 'Wer im Dunkel lebt und wem kein Licht leuchtet, der vertraue auf den Namen des Herrn und verlasse sich auf seinen Gott.' Jes 50,10
Diese Losung von Jesaia ist einfach, klar und für alle Welt verständlich. 
Nicht ganz so einfach ist das mit der 'Jungfrauengeburt' Marias. Unsere Pfarrerin Barbara Neubert hat deshalb über dieses Phänomen unseres Glaubens nachgedacht... 

Jungfrauengeburt verstehen
Was fangen wir mit der Rede von der Jungfrauengeburt an? Die Krippe wird aufgestellt, Maria und Josef machen sich auf den Weg nach Bethlehem und in der Tradition ist klar, dass Maria Jungfrau gewesen ist, also mit keinem Mann geschlafen hat, bevor sie schwanger wurde. Und in der Tradition ist klar, dass das zumindest merkwürdig ist und biologisch nicht geht. Was fangen wir an mit der Jungfrauengeburt? In der evangelischen Kirche haben wir keine Mariendogmen, die festlegen, wie wir die Jungfrauengeburt verstehen sollen. Aber sie ist Teil des Glaubensbekenntnisses: „geboren von der Jungfrau Maria“ bekennen wir. Wie lässt sich das heute verstehen?

Den Evangelisten Markus und Johannes war es nicht wichtig. Ich gehe davon aus, dass zumindest Markus nicht glaubte, dass Maria Jungfrau gewesen ist. Die Evangelisten Lukas und Matthäus, die die Geburtsgeschichte erzählen, beziehen sich auf eine alte Verheißung des Propheten Jesaja. Der spricht davon, dass eine junge Frau schwanger wird und einen Sohn bekommen wird, der Immanuel „Gott mit uns“ heißen wird (Jesaja 7,14). Das bedeutet, dass Maria eine junge Frau gewesen ist, die ihr erstes Kind bekommt. Bei der Übersetzung ins Griechische wurde aus der jungen Frau eine Jungfrau. Ich kann also im Kopf „junge Frau“ rückübersetzen.  Es kann sein, dass Lukas und Matthäus bewusst von einer Jungfrau schreiben.
Für alle, die aus der griechischen Glaubenswelt kommen, war es wichtig, dass Maria Jungfrau war, denn nur so konnte Jesus ein Sohn Gottes sein. Da es mehrere Götter und Gottessöhne gab, war dies nichts Außergewöhnliches, sondern ein Bild, um deutlich zu machen, dass Jesus Sohn Gottes ist und Mensch wird.

In der feministischen Theologie wurde die Rede von der Jungfrauengeburt neu entdeckt: Wenn mit Jesus etwas Neues beginnt, mit dem Patriarchat gebrochen wird, dann zeigt sich dies in der Jungfrauengeburt von Anfang an. Kein Mann ist nötig, damit Jesus zur Welt kommt. Was also, wenn die Rede von der Jungfrauengeburt eine biblische Erzähltradition aufnimmt, die von der Rettung des Lebens erzählt?
Das Heil Gottes ist nicht das Produkt der Natur oder der menschlichen Möglichkeiten, sondern ist da zu erwarten, wo Menschen an ihre Grenzen gestoßen sind. Von Maria als Jungfrau zu sprechen ist ein poetischer Ausdruck dafür. Was mit Jesu Geburt geschieht, ist mehr und tiefer, als wir rational erklären könnten.

Wo die Rede von der Jungfrauengeburt diese Poesie verliert, wird sie autoritär und unappetitlich. (Fulbert Steffensky, Heimathöhle Religion, S. 56)

So gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Jungfrauengeburt zu verstehen. Welche leuchtet Ihnen am meisten ein?

Barbara Neubert

Monatsspruch November 2019

Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Hiob 19,25

Liebe Leserin, lieber Leser,

wie kann man jemanden trösten, dessen Welt zusammengebrochen ist? Wie kann ich eine Freundin trösten, die zum fünften Mal am Krebs operiert wird, die Angst hat vor dem, was ihr der Arzt sagen wird? Was sage ich der Nachbarin, die drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes jeden Morgen kaum die Kraft zum Aufstehen findet?
„Wird schon wieder” ist die verkehrte Antwort. Und der Rat „Schau mal, wem es noch schlechter geht” hilft nicht weiter. Aber trösten würde ich sie gerne. Der Vers für diesen Monat November gibt keinen Rat, sondern ist ein Satz aus einer Geschichte, ein winziger Ausschnitt aus einer langen Rede.

Hiob redet. Er redet von seinem Kummer und seiner Angst. Er erzählt von seinen Schmerzen und von der Hoffnung, die kaum noch Kraft hat. Seine Freunde hören ihm zu und bekommen seine Wut zu spüren, als sie einen Trost versuchen, der kein Trost ist. In diesem Ganzen sagt Hiob: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er sich über den Staub erheben. Wenn mein Erlöser lebt, dann wird er mich aus diesem Elend herauslösen.“
Von diesem Herauslösen erzählt das Buch Hiob. Es ist ein langer Weg. Hier muss keiner in wenigen Monaten wieder der Alte sein und seine Trauer abgelegt haben. Es lohnt sich, die Reden Hiobs zu lesen. Sie helfen, eine Sprache für all das Elend zu finden. Und sie erzählen vom Trost.

Ich kann mich in diese alte Geschichte des Trostes hineinlesen. Werde ich nun meiner Nachbarin sagen: „Lesen Sie Hiob! Das hilft.”? Vermutlich würde dieser Ratschlag wenig helfen.
Aber die, die trösten wollen und sich fragen, wie, die haben vielleicht Hiob gelesen und erinnern sich, dass Hiobs Freunde kamen und sieben Tage und Nächte bei ihm waren und nichts sagten, denn sie sahen, dass sein Schmerz groß war (Hiob 2,13). Das erste, was sie tun, ist hingehen und aushalten und zuhören und keinen Rat wissen. Bis es Hiob wieder gut ging, war es ein langer Weg. Auf dem Weg gab es diese Wegzehrung: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.”

Wenn ich mir nicht sicher bin, welche Worte trösten und welcher Rat eher als Schlag gehört wird, dann erzähle ich, dass ich abends für meine Freundin bete und für meine Nachbarin, dass ich Gott das Leid hinhalte und die Traurigkeit und hoffe, dass der Erlöser hilft. Genau dies werden wir auch am 24. November, am Totensonntag, tun, der ein Sonntag für die Lebenden ist, die um ihre Toten trauern, und ihre Hoffnung auf das Leben stärkt.

Barbara Neubert 

Monatsspruch Oktober 2019

Wie es dir möglich ist: Aus dem Vollen schöpfend - gib davon Almosen! Wenn dir wenig möglich ist, fürchte dich nicht, aus dem Wenigen Almosen zu geben! Tob 4,8

Liebe Leserin, lieber Leser,

Almosen - ein Wort, das in meinem Alltagswortschatz kaum mehr vorkommt. Es klingt altertümlich. Und auch ... anrüchig, sowohl von Geber- als auch von Nehmer-Seite her. Wer will schon angewiesen sein auf Almosen? Bzw. stellt Almosen-Geben nicht ein Gefälle her, das wir lieber ausblenden?

Almosen wird (das besagt die Wortherkunft aus dem Griechischen) rein aus Mitleid gegeben.

Bilder ploppen auf in meinem Kopf: der Bettler, der so täuschend echt im Wittenberg-Panorama von Yadegar Asisi die Besucherinnen und Besucher am Boden sitzend begrüßt, die Roma-Frau, die (nun wirklich echt) an Heilig Abend an der Paulus-Kirchentür stand, die Hand bittend ausgestreckt, der Mann mit Hund und Pappschild auf der Schlossstraße ....

Ich gehe innerlich einen Schritt zurück, schaue in die Bibel. Woher kommt der Monatsspruch?

Das Buch Tobit ist ein kleines feines Buch in der Hebräischen Bibel. Es erzählt von tiefem Gottesglauben und trägt gleichzeitig märchenhafte Züge, es berichtet vom Misstrauen des blinden Tobit gegenüber seiner Frau und von der Elternliebe der beiden zu ihrem Sohn Tobias. Zeit- und Familiengeschichte sind miteinander zu einer Geschichte verwoben und immer wieder: das Gotteslob!

„Wenn es dir möglich ist ...“ - im Rahmen seines „Vermächtnisses“ ist dies die Handlungsanweisung eines Vaters an den Sohn, eine unter vielen anderen, für ein Leben in Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit.

„Aus dem Vollen schöpfend ...“ - ich lese den Satz heute, ca. 2300 Jahre später. Und bin sofort bei den Themen unserer Zeit: soziale Ungerechtigkeit, Nord-Süd-Gefälle, Klima-Katastrophe … Wir schöpfen aus dem Vollen! Was fehlt, ist das Mitleiden mit denen, die von unserem Lebensstil bedroht sind.

„Wenn dir wenig möglich ist, fürchte dich nicht ...“ - ich lese es als Aufforderung und Ermutigung, auch dann zu geben, wenn mein Herz eng und hart ist. Denn wovor sollte ich mich fürchten? Doch höchstens davor, dass meine Kinder und Enkel einst sagen: warum habt ihr so kurzsichtig und egoistisch gelebt?

Almosen – dass sie im Mitfühlen mit der bedrohten Mutter Erde zu selbstverständlichen Gaben werden, wünsche ich mir und uns.

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch September 2019

Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Mt 16,26 (L)

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Hass schadet der Seele“. Unübersehbar prangt dieser Satz an der Kirche. Mit ihm mischen Kirchen sich in die gesellschaftliche Diskussion ein. Mit ihm widersprechen sie jeder Form von Antisemitismus und Rassismus. Was hülfe es, wenn du mit immer verletzenderen Worten Wahlen gewinnen würdest? Was hülfe es, wenn du deine Wut ungefiltert ins Internet schreiben und dafür Unmengen Likes bekommen würdest?

Hier wird nicht mit Regeln und Geboten argumentiert, weder mit den 10 noch mit denen des Anstands. Hier wird mit dem eigenen Vorteil argumentiert. Was würde dir der Hass helfen? Mich erschreckt, mit wie viel Verachtung und Hass auf Meinungen reagiert wird, die anders als die eigene sind. Mich erschreckt, wie ungefiltert Erwachsene ihre Ablehnung äußern.
Erschrecken ist gut, aber es reicht nicht.

Wir müssen deutlich machen, dass wir so einen Umgang untereinander nicht wollen. Er schadet, er schadet uns allen. Hass verletzt nicht nur den Anderen. Hass schadet meiner eigenen Seele. Antisemitismus ist eine Form des Hasses. Er schadet der eigenen Seele. Antisemitismus schadet uns in Deutschland, unabhängig davon, zu welchem Gott ich bete. Auch deshalb, auch um unserer selbst willen setzen wir uns als Kirche gegen Antisemitismus ein.

„Hass schadet der Seele“ ist ein Satz, der an etlichen Berliner Kirchen in Mitte zu sehen ist. Die Gemeinden verstehen den biblischen Vers für diesen Monat aktuell und sehr konkret. Christen mischen in der gesellschaftlichen Debatte mit und begründen ihre Meinung mit der Bibel.  

Der Kirchenkreis Berlin Mitte wollte nicht beim Schaden an der Seele stehen bleiben. Er hat den Satz daher ergänzt mit den Worten „Liebe tut der Seele gut.“
Wenn Sie mehr zu der Kampagne lesen wollen: Unter www.tut-der-seele-gut.info ist sie im Netz zu finden. Und als Banner vor so mancher Kirche. 

Ich wünsche Ihnen im September viele Worte, die Ihrer Seele gut tun.
Es grüßt Sie herzlich Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch August 2019

Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Mt 10,7 (E)

Liebe Leserin, lieber Leser.

Ich geh in Urlaub. Schon alleine die Aussicht darauf lässt mein Herz leichter werden. Einfach weg gehen. Für ein paar Wochen alle Verpflichtungen und Verantwortung hinter sich lassen. Die Uhr auf dem Nachtisch legen, und die erste Tasse Kaffee trinken, wenn andere am Mittagessen sind. Woanders hin zu gehen tut von Zeit zu Zeit gut. 

Scheint so, als wusste Jesus das auch. Denn er schickte seine Freunde weg: Geht, geht woanders hin, geht dahin, wo ihr noch nie gewesen seid, geht an fremde Orte und geht dann weiter. Geht. 

Allerdings war das für die Jünger kein Urlaub. Sie bekamen einen Arbeitsauftrag mit: „Verkündet: Das Himmelreich ist nahe.“ Also weg gehen und reden. 

Vom Himmelreich reden. Die Konfirmanden dachte beim Himmelreich an den Ort, an den ihre Oma kommt, wenn sie gestorben ist. Matthäus muss bei Himmelreich an etwas anderes gedacht haben. Die Jünger sollten nicht erzählen, dass bald alle in den Himmel kommen würden. Jesus sprach eher vom Himmel auf Erden, der schon nahe ist und manchmal auch da ist. 

Der Himmel auf Erden? Wie sieht der euch aus? Woran kann man ihr erkennen? 
Vermutlich reden wir viel zu selten über diesen Himmel auf Erden und was er mit Gott zu tun hat. Und wo Jesus den Himmel auf Erden entdeckt hat. Wie gut, dass jetzt Urlaubszeit ist. Freie Zeit, um über den Himmel auf Erden nachzudenken. Und was er für Jesus gewesen ist. Und dann redet.

Redet miteinander, wenn ihr weg seid, oder wenn ihr auf Menschen trefft, die beim Weggehen gerade hier gelandet sind. 

Herzlich Ihre Barbara Neubert

Monatsspruch Juli 2019

Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn. Jakobus 1,19

„… sei langsam zum Zorn …“ - ich fühle mich ertappt. Wenn ich, z.B. als Radfahrerin mal wieder geschnitten werde oder „mein“ Radweg zugeparkt ist, kann ich ziemlich schnell, ziemlich zornig reagieren.

Dumm nur - mein Zorn ist (abgesehen von einer kurzen „Entlastung“) wenig hilfreich.
Darüber hinaus kann Zorn ein großes Verstörungs- und Zerstörungspotential innewohnen.
Mit gutem Grund beginnt Jakobus darum wohl seine knappe „Kommunikations-Weisung“ mit der Aufforderung zu Hören / Wahrzunehmen (schnell!) und zu Reden (langsam!) - und schließt den Zorn am Ende nicht komplett aus, nur auch hier: „… sei langsam“.

Und ich denke neu über Zorn nach.

Kann er nicht auch produktiv sein? Heilsam? Lebensförderlich? Wenn ich wahrnehme: die Frau hinter dem Schalter, die den älteren Kunden, der ihre Frage nicht sofort versteht, ruppig anblafft; das Kind, das hingebungsvoll einen Käfer quält; die Mutter, die, versunken in ihr Smartphone, nicht merkt, dass ihre Dreijährige Trost braucht …

Wie finde ich in meinem Zorn darüber nicht-verletzende Worte, die die jeweilige Situation wenden?

Wenn ich wahrnehme: die oft menschenverachtenden Entscheidungen in der Asylpolitik; das ins Lächerliche-Ziehen der Jungen, die sich für eine entschiedenere Klimapolitik einsetzen; die nicht zu bremsende Macht von Wirtschafts-Lobbyisten, Gesetzesvorlagen im Sinn ihrer Auftraggeber durchzubringen, jenseits der Bedürfnisse der Menschen; oder eben auch besagter Zorn in manch heiklen Situationen im Straßenverkehr, s.o. …

Ohne Einmischung wird sich nichts ändern.

Darum: es braucht manchmal die zornige Energie, um Verkrustungen, Ignoranz, Gier und dergleichen mehr etwas entgegenzusetzen, es braucht berechtigten Zorn über Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit, es braucht ihn, um lebensfeindliche Strukturen kreativ und lösungsorientiert zu transformieren.

Ich wünsche mir und uns, dass freie Zeiten auch solchem Hören und Wahrnehmen dienen können, auf dass wir hineinwachsen in eine Haltung von „heiligem Zorn“, der dem Leben dient. 

Ansonsten wünsche ich Ihnen erholsame, die Seele stärkende freie Zeiten!

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch Juni 2019

Freundliche Reden sind Honigwaben, süß für die Seele und heilsam für die Glieder. Spr 16,24

Liebe Leser und Leserinnen, 

stellen Sie sich vor: Beim Bäcker in der Schlange treffen Sie Ihre alte Nachbarin, von der Sie nicht so genau wissen, welche Partei sie wählt. Die guckt oft so grimmig, dass Sie sich nicht sicher sind, ob Sie es überhaupt genau wissen wollen. Ihr Blick fällt auf die Zeitung. Die Schlagzeile lautet: „Danke.“ 

Gute Idee, denken Sie und bedanken sich bei Ihrer Nachbarin, dass sie die Blumen vor dem Haus so sorgsam gießt. Vom Bäcker aus geht es zum Bus. Sie steigen mit einem freundlichen guten Morgen ein und bekommen zur Antwort: Danke, Ihnen auch.
Als Sie über die Straße gehen, hupt Sie keiner an. Selbst die Radfahrer machen einen entspannten Eindruck.
Der Bettler vor der Tür wünscht Ihnen einen guten Tag und Sie spüren, wie seine Worte Sie freuen: Der Tag könnte wirklich ein guter werden.
Selbst der Mann in der Schlange an der Kasse hinter Ihnen hat Geduld und der Kassierer freut sich, dass niemand seine schlechte Laune an ihm auslässt. 

Vor dem Gemüsegeschäft stolpert ein Mann, stürzt und muss ins Krankenhaus. Was geschieht mit seinem Auto und wer sagt seiner Frau Bescheid? „Kein Problem“, sagt der Gemüsehändler, nimmt den Autoschlüssel, stellt das Auto vor die Wohnung und erzählt der Frau, was passiert ist.
Der Pfleger im Krankenhaus nimmt sich Zeit für ein freundliches Wort. Der Patient im Nachbarbett erkundigt sich nach dem Sohn des Pflegers, der Streit in der Schule gehabt hatte. Am Abend sind Sie verwundert. Kein einziges grantiges Wort haben Sie gehört, kein einziges gebraucht. 

Freundliche Worte sind wie Honigwaben, süß für die Seele und heilsam für die Glieder. 

Diese wunderbare Lebensweisheit stammt aus dem Buch der Sprüche, gleich nach den Psalmen. Geschätzte zweieinhalbtausend Jahre alt und ganz aktuell. Wie würde unsere Stadt aussehen, wenn wir einen Tag lang nur freundliche Worte hören würden? Freundliche Worte in der Schule, im Bus, im Supermarkt, am Abendbrottisch, auf der Arbeit, in den Nachrichten, im Parlament. Wie gut würde uns das tun! 

Ob Sie Ihrer Seele etwas Süßes gönnen oder Ihren Gliedern etwas Gutes tun wollen, ich wünsche Ihnen in diesem Monat viele freundliche Worte und dazu leckeren Honig vom Imker. 

Ihre Barbara Neubert

Monatsspruch Mai 2019

Es ist keiner wie du, und ist kein Gott außer dir. 2 Sam 7,22 (L)

„Mama, wenn ich groß bin, heirate ich dich! Ich will immer bei dir sein!“
„Mein Papa ist der Beste! Ich hab ihn ganz doll lieb!“

Gerührt nehmen die so Bedachten solche zu Herzen gehenden Liebeserklärungen auf, schmunzelnd tun es die etwas ferner Stehenden, skeptisch die, deren Urvertrauen ins Leben schon in frühester Kindheit zerstört wurde oder gar nicht erst wachsen konnte.

Wahrscheinlich hängt es auch genau von dieser „Folie“ ab, wie wir Gottes-Bezeugungen in der Bibel lesen, wie sie bei uns ankommen, was sie in uns zum Klingen bringen – oder eben auch nicht.

„Es ist keiner wie du, und ist kein Gott außer dir“ – im 2. Buch Samuel werden diese Worte Davids überliefert. David, der Hirtenjunge, der König wird, der Kämpfer, der die Bundeslade nach Jerusalem zurückbringt, er möchte einen Tempel bauen, ein würdiges Haus für seinen Gott und die Bundeslade. Und er bekommt durch den Propheten Nathan vermittelt: Daraus wird nichts! Der Tempelbau bleibt Davids Sohn und Nachfolger vorbehalten. Umgekehrt ist es Gott, der zusagt, David, wenn er selber sich „zu seinen Vätern versammelt“,  ein Haus zu bauen – ein lebendiges Haus, das Königshaus.

David antwortet auf Gottes Ansage mit einer Lob- und Preis-Rede, zu der denn auch das Bibelwort gehört, das uns als Monatsspruch durch den Mai begleitet. Gotteslob, Gottvertrauen pur. 
Auch Jesus, den die Evangelisten Matthäus und Lukas in ihren Stammbäumen als Nachfahre von König David sehen, lebt in und aus einer ähnlichen Gottesbeziehung. Voller Vertrauen nennt er Gott „Abba“, „Väterchen“. 

Er hat den Seinen – und in ihrer Nachfolge uns – Gott als liebenden Vater nahe gebracht: Es ist keiner wie er und ist kein Gott außer ihm. Und noch im Sterben kann er sagen: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Wir, die wir nachösterlich leben, stehen manchmal eher ungläubig-staunend davor:  Woher das Vertrauen nehmen, dass Gott den Todesmächten die Macht nimmt, dass die Liebe und das Leben siegen?

Wir müssen es nicht nehmen – es wird uns geschenkt. Vor seiner Himmelfahrt versichert Jesus den Seinen: Ich gehe – doch der Tröster kommt! 


Mögen uns mit einem satten Urvertrauen gesegnete Kinder Vorbilder sein, aus diesem Vertrauen zu leben und aus vollem Herzen einzustimmen: „Es ist keiner wie du und ist kein Gott außer dir.“

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch April 2019

Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Mt 28,20 (L)

Liebe Leser und Leserinnen,

Welcher Satz soll nachklingen, wenn das Evangelium zu Ende vorgelesen ist? Welcher soll der letzte Satz sein? Wie lange wird der Schreiber des Matthäus-Evangeliums darüber nachgedacht haben? Wie lange werden sie in seiner Gemeinde darüber diskutiert haben? Ein letzter Satz klingt nach und will daher genau überlegt sein. Er soll einer sein, den sie auf keinen Fall vergessen. 

Johannes hat sich für eine zusammenfassende Bemerkung entschieden, Lukas für ein harmonisches Ende. Man könnte auch mit einer Ermahnung aufhören. Der Schreiber des Matthäus- Evangeliums wollte mit einem Wort Jesu aufhören. Jesus ist der wichtigste, er soll das letzte Wort haben. 

Matthäus hat viele Worte Jesu gehört, viele gesammelt. Mit welchem verabschiedet Jesus sich von den Menschen? Jesu letzte Worte laut Matthäus-Evangelium sind: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ 

Für die, die dies lesen, ist Jesus nicht sichtbar. Er redet nicht direkt mit uns wie damals mit den Jüngern. Matthäus erzählt nicht von der Himmelfahrt, aber die Erfahrung seiner Gemeinde ist: Jesus ist nicht da. – Das ist die eine Wirklichkeit. Es gibt aber auch die andere: Jesus ist sehr wohl da. 

Auf tausend Weisen begleitet er uns. So wie er Generationen nach uns begleiten wird. 

Manche Eltern wählen diesen Schlusssatz des Matthäus-Evangeliums als Taufspruch für ihr Kind. Es soll wissen, dass Jesus bei ihm ist, dass es durch keinen Mist alleine durchmuss, dass Jesus da ist, wenn sie als Eltern nicht da sein können, dass ihr Kind Jesus als Verbündeten an seiner Seite hat. 

Uns Gemeinden ist dieser Satz so wichtig, dass wir ihn bei jeder Taufe vorlesen. Im Satz davor steht der Auftrag zu taufen. Jeder, der getauft wird, soll wissen: Jesus ist bei dir, jeden Tag. Egal wo du lebst. Dann können uns keine Worte von einem Weltende schrecken. 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesem Monat viele Weisen entdecken, wie Jesus Sie begleitet. 

Herzlich Ihre Pfarrerin Barbara Neubert (z.Z in Studienzeit)

Monatsspruch März 2019

Wendet euer Herz wieder dem Herrn zu und dient ihm allein. 1 Sam 7,3 (E)

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Wendet euer Herz wieder dem Herrn zu und dient ihm allein.“– das klingt, als ginge das auf „Knopfdruck“!
Tut es natürlich nicht.

Dazu kommt, dass die, die sich heute auf den Herrn berufen, in ihren Einstellungen zu Gott und der Welt ebenso vielfältig sind wie die Wege, ihm ihre Herzen zuzuwenden. Beim Gottesdienst-Symposium in Grand Rapids, Michigan USA, mit 1.400  Teilnehmenden aus 35 Ländern war das einer meiner stärksten Eindrücke.

„Wendet euer Herz wieder dem Herrn zu ...“ – wer hat es damals zu wem gesagt?
Ein Blick in die Bibel zeigt: hinter den elf kurzen Worten verbirgt sich eine der Erzählungen, in denen es um das Volk Israel geht und um seine Treue zum Gott ihrer Väter … oder eben auch um seine Untreue.

Mehr als zwanzig Jahre hat der Prophet Samuel auf diesen Tag gewartet. Nicht viel konnte er bis dahin ausrichten. Die Kräfte im Volk Israel, die Gott vor ihren weltlichen (Kriegs-)Karren spannten, waren stärker. Im Kampf gegen die Philister hatten sie die Bundeslade, die die Gegenwart Gottes symbolisierte, wie einen Glücksbringer in die Mitte gestellt. Das sollte zum Sieg verhelfen. Es kam anders, die Israeliten wurden vernichtend geschlagen – und die Bundeslade vom Feind mitgenommen. Zwar bekam das diesem schlecht (s. 1 Sam 5), so dass die Lade nach sieben Monaten wieder in der Obhut der Israeliten war. Doch erst 20 Jahre später, als die Philister wieder erstarkten, hörte das Volk Israel auf Samuel. Not lehrt beten, auch damals schon. Der Prophet rief dazu auf, die Verehrung der fremden Götter Baal und Astarte aufzugeben und, s.o., das Herz dem Herrn zuzuwenden und ihm allein zu dienen.

Zeitsprung: Wie sah es bei uns vor 20 Jahren aus? Wie sieht es heute aus?

Der Optimismus der späten Neunziger ist vorbei. Eher ratlos klingen diejenigen, die aktuell in Staat und Kirche Verantwortung tragen. Vor zwanzig Jahren glaubten wir, die Verbesserung der Welt noch hinzukriegen. Wie sieht es in 20 Jahren aus?

„Wendet euer Herz ...“ – da ist kein Samuel, wir sind kein Volk Israel.
Da sind wir, Individualisten und Menschheitsgeschwister, einander gegeben und aufgegeben, um miteinander an Gottes Reich der Gerechtigkeit zu bauen. 

Was das konkret heißt? 
Unser Herz weiß es! Haben wir den Mut, zu hören und zu handeln!?!

Ihre Gabriele Helmert 

Monatsspruch Februar 2019

Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. Römer 8,18

Liebe Gemeinde,

während meines Studiums war ich oft auf der Reeperbahn unterwegs. Ich wohnte gar nicht weit weg. Anders als in Berlin gibt es in Hamburg eine klare Sperrgebietsverordnung. Die Stadt hat geregelt, wo und zu welchen Uhrzeiten Frauen auf der Straße stehen können, um anzuschaffen. Natürlich gehört die Reeperbahn an manchen Ecken und die Herbertstraße dazu. Die Arbeit der Huren ist unbarmherzig. 

Was hilft?

Eine kleine Gruppe von Christen hatte eine kleine Teestube. Nachts zogen wir los, mit heißem Kakao, Lakritz und einem offenen Ohr. Einmal in dieser Nacht sollte jemand da sein, der nichts von den Frauen wollte, kein Geld, keinen Sex, keine Macht. Einmal in der Nacht kam jemand vorbei, der einfach einen Moment da war, einen Kakao anbot, sein Zuhören und manchmal ein Wort. In diesen Nächten konnte ich viel Alltag und viel Leid hören. Eine Lösung gab es oft nicht. 

Zur ‚Teestube Sarah‘ gehörten ökumenische Gottesdienste. Einmal im Monat traf sich die kleine Gruppe Christen und brachte gemeinsam mit Gott ins Gespräch, was sie gehört und erlebt hatten. Zu den Gottesdiensten gehörte ein kleiner Satz in der Eingangsliturgie: „Öffne die Augen ganz, ehe du stöhnst.“ 

Diesen Satz habe ich mitgenommen. Wenn mich das Selbstmitleid überfällt, ist dies ein wunderbarer heilsamer Satz. „Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen“, sagt Paulus. Bevor du über die Leiden dieser Zeit klagst und stöhnst, öffne deine Augen.

Wenn ich die Augen ganz öffne, sehe ich mehr als meinen kleinen Ausschnitt Leid. Dann sehe ich mehr als mein eigenes Gekränkt-Sein oder meinen Schmerz. Vielleicht sehe ich den Menschen, der neben mir wohnt, sehe sein Leid und seinen Schmerz. 

Ich bin überzeugt, dass es unserer Gesellschaft guttut, wenn Menschen nicht nur sehen, wo es ihnen selbst nicht gut geht, wo sie zu kurz kommen, sondern hinschauen wo andere leiden. 

Öffne die Augen ganz, ehe du stöhnst. Dann wirst du womöglich eine Herrlichkeit entdecken, die dir sonst verborgen geblieben wäre, eine Herrlichkeit, die kommen wird und die jetzt schon aufscheint. Auch wenn der Alltag unbarmherzig aussieht.

Für diesen Monat Februar wünsche ich Ihnen viele gute Begegnungen mit offenen Augen. 
Ihre Barbara Neubert

Monatsspruch Januar 2019

Gott spricht: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Gen 9,13 (L)


Liebe Leserinnen und Leser,

dürfen wir Menschen auf diesen Bund setzen, auf ihn hoffen – trotz alledem?
Die letzten Forschungsergebnisse sind eindeutig: der Klimawandel, menschengemacht, steht kurz davor, unumkehrbar zu werden. Vielleicht 10 bis 15 Jahre trennen uns noch von diesem ‚Kipp-Punkt‘.
Sind wir Menschen mit dem Bund gemeint? „... des Bundes zwischen mir und der Erde“ – die Erde kommt vielleicht ganz gut ohne uns zurecht, vielleicht sogar besser... Vielleicht meinte Gott die Pflanzen, Tiere, Steine, Mineralien, Meere, Wasser und Wind und alles das – und nicht uns Menschen?
Oder sie meint uns mit. Verspielen wir den Bund gerade? Weil wir nicht angemessen handeln angesichts der drohenden Szenarien? Weil wir immer noch nicht zu einem geschwisterlichen Leben mit allem Lebendigen finden?
Ich sehe den Regenbogen, ich dürste nach dem Zeichen des Bundes – und spüre Zweifel, Trauer, Selbstvorwurf, Überforderung und Sehnsucht nach Gott zugleich.
Wie gut, dass Fulbert Stefensky so wunderbare Worte zur „Hoffnung“ gefunden hat! Sie ermutigen mich, rufen mich auf zum Handeln und zum erneuten Erlernen der Hoffnung. 

Ich wünsche Euch und Ihnen sehr, dass der Text auch Ihnen und Euch hilft, mit Zuversicht und Dankbarkeit in das neue Jahr zu gehen.
Katja Barloschky
Redaktion Newsletter: ‚Nachrichten aus Paulus‘

 


Die Hoffnung kann lesen
Wie lernt man hoffen?

Im Augenblick wird die Frage nach der Hoffnung an vielen Orten gestellt. Sie irritiert mich, denn sie wird oft lamentös und vor jedem Handeln gestellt. Erst will man in der Aussicht versichert sein, dass alles gut geht, allenfalls dann wird man handeln und seinen Teil zum guten Ausgang beitragen. 

Vielleicht sollten wir die Frage nach dem guten Ausgang vergessen, denn sie ist nicht beantwortbar. Vielleicht war die Geschichte mit dem Regenbogen nach der Sintflut, die die Bibel erzählt, doch anders gemeint. Es waren wohl nicht der einfache Fortbestand der Welt gemeint, der Fortschritt und die Garantie des guten Ausgangs. Vielleicht heißt Hoffnung gar nicht der Glaube an den guten Ausgang der Welt und die Vermeidung ihrer Zerstörung. 

Es garantiert uns keiner, dass das Leben auf der Erde in absehbarer Zeit nicht kollabiert, auch kein Regenbogen. Aber wir können tun, als hofften wir. Hoffen lernt man auch dadurch, dass man handelt, als sei Rettung möglich. Hoffnung garantiert keinen guten Ausgang der Dinge. Hoffen heißt darauf vertrauen, dass es sinnvoll ist, was wir tun. Hoffnung ist der Widerstand gegen Resignation, Mutlosigkeit und Zynismus.

Die Hoffnung kann lesen. Sie vermutet in den kleinen Vorzeichen das ganze Gelingen. Sie stellt nicht nur fest, was ist. Sie ist eine wundervoll untreue Buchhalterin, die die Bilanzen fälscht und einen guten Ausgang des Lebens behauptet, wo dieser noch nicht abzusehen ist. Sie vielleicht die stärkste der Tugenden, weil in ihr die Liebe wohnt, die nicht aufgibt, und der Glaube, der den Tag schon in der Morgenröte sieht.

Fulbert Stefensky
(in: Der andere Advent/2018)

Monatsspruch Dezember 2018

Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut. Mt 2,10 (L)

Liebe Leser*innen.

In der Weihnachtsgeschichte leuchtet der Stern, um den Weg zur Krippe zu weisen. Er leuchtet armen Hirten und (noch nicht heiligen) Königen. Er erschrickt Herodes zu Tode und erwärmt die Herzen von Kranken und Flüchtenden. Er bringt Licht ins Dunkel. 

Nun beginnt die Adventszeit. Mit dem Stern voran. 
Schöne und unschöne Kindheitserinnerungen erheben ihre Häupter, erhellen oder verdunkeln diese Zeit des Wartens. 
Für viele Menschen in Deutschland ist es eine Zeit der Vorfreude, die mit einem ganz bestimmten Duft (aus heimischer Keksbäckerei oder Räuchermännchen oder Bienenwachskerzen oder Glühpunsch*) verknüpft ist. 
Für andere Menschen in unserem Land ist Advent (auch) eine Angst-Zeit: Angst vor dem Alleinsein, vor den Streitereien Zuhause, vor der Dezember-Kälte auf der Straße, vor den Enttäuschungen, die sie aus vergangenen Jahren kennen.

Allgegenwärtig zu spüren ist auch eine ‚heimliche‘ Angst – die Angst vor Überforderung und Stress angesichts der Ansprüche an Geschenke und Gefühle. 

Im Kalender „Der andere Advent“ finde ich eine Sterngirlande zum Herausnehmen und Aufhängen. Da steht auf den Papiersternen: „Du“ „hast“ „mich“ „wunderbar“ „gemacht“
‚Du hast mich wunderbar gemacht‘. Dieses Versprechen, die Zusicherung an jedes Kind in der Geburt Jesu, dass es wunderbar ist, so wie es ist, dieses Versprechen, das für alle gilt, egal wie alt und woher - das ist der leuchtende Stern. In ihm stecken Trost und Verheißung und Freude und Strahlen und Dankbarkeit, selbst wenn es kalt ist. In ihm stecken Einladung und Aufforderung, uns umzusehen, uns anzusehen. Und die Freude zu teilen, dass wir wunderbar gemacht sind. Geteilte Liebe vermehrt sich, anstatt weniger zu werden...

Wir von Paulus wünschen Euch und Ihnen eine gesegnete Adventszeit.
Katja Barloschky

*das gibt es übrigens alles auf dem wunder-vollen Paulus-Advents-Basar!

Monatsspruch November 2018

Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Offb. 21,2

Liebe Leser und Leserin,

Jerusalem – die heilige Stadt. Wer dort gewesen ist, hat sofort Bilder vor Augen, von den Menschen auf den Straßen der Altstadt, von der goldenen Kuppel der Al Aqsa-Moschee, von der Klagemauer, den alten Häusern, über- und untereinander gebaut worden sind, von Menschen, die Kreuze tragen und sich erinnern, dass Jesus hier ermordet wurde und sich nach seiner Auferstehung als erstes gezeigt hat. 

Wer nie da gewesen ist, der kann es sich derzeit bequem machen und braucht nur nach Kreuzberg zu fahren, ins Jüdische Museum. Dort wird „Welcome to Jerusalem“ gezeigt. Auf dem Weg durch die Ausstellung kommt man in einen Raum voller Bilder. Künstler zeigen, wie sie sich Jerusalem vorstellen. Sie haben eine heilige heile Stadt gemalt, in der Friede herrscht und alle Menschen gut leben können, in der Gott verehrt wird. 

Jerusalem übt eine besondere Faszination aus. Sie muss einer der Lieblingsorte Gottes sein. Für Juden, Moslems und uns Christen gehört diese Stadt zu unserem Glauben. Umso mehr schmerzt es, wenn in dieser Stadt Gläubige nicht friedlich zusammen leben können, wenn Menschen ausgeschlossen werden, wenn die Suche nach Wahrheit zum blutigen Streit wird. 

Wie kann man die Hoffnung wach halten, dass es Frieden für alle Menschen in Jerusalem geben kann? Wie kann man die Hoffnung stärken, dass Menschen aus allen Religionen friedlich zusammen leben können? Johannes schreibt in seiner Offenbarung: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem.“ Er sieht die Stadt, die ihm vertraut ist, Jerusalem. Und sie ist anders, sie ist neu. 

Ich denke an Berlin: 1918 zerstört, 1945 wieder. Der Hunger nagte und so mancher kehrte aus dem Krieg nicht zurück.
Was hat damals geholfen, nicht die Hoffnung zu verlieren, dass es Frieden geben wird für alle Menschen, die in Berlin leben?

Berlin hat sich seitdem verändert, mehrfach, hat sich neu erfunden. Trotzdem sieht die Stadt heute nicht unbedingt so aus, wie ich mir eine heilige Stadt vorstelle. 

Was meinte Johannes also? 

Vor 100 Jahren endete der 1. Weltkrieg.
Der Friede, der kam, war leicht verletzbar. Haben wir genug über diese Jahre nachgedacht? Mir scheint, dass sich in diesem Teil der Geschichte noch viel entdecken und lernen lässt. 
Wie können wir heute die Hoffnung stärken, dass Menschen jeder Religion
und Herkunft friedlich in Europa zusammen leben können?

Ich wünsche Ihnen und uns allen gute Gespräche beim Blick zurück und beim Blick nach Jerusalem.
Herzliche Grüße Barbara Neubert 

Monatsspruch Oktober 2018

Ach Herr, du kennst meine ganze Sehnsucht. Mein Stöhnen bleibt dir nicht verborgen. Ps 38,10 (BasisBibel)

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Rien ne va plus – Nichts geht mehr!“ – so die Ansage des Spielleiters am Roulettetisch (jetzt tu ich mal so, als würde ich mich da auskennen), und die Drumherum Sitzenden hoffen, dass die ins Spiel gebrachte Kugel dort anhält, wo ihnen selber der größte Gewinn zufällt.
„Rien ne va plus – Nichts geht mehr!“ – so mag auch der Beter des 38. Psalms gedacht, geseufzt haben. Welche Last ihn konkret niederdrückt, erfahren wir nicht, die Schuld jedoch scheint groß. Herb, was der Beter preisgibt: „Es ist nichts Gesundes an meinem Leibe wegen deines Drohens und ist nichts Heiles an meinen Gebeinen wegen meiner Sünde.“ (V. 4) und „Meine Wunden stinken und eitern wegen meiner Torheit.“
(V. 6)
„Rien ne va plus – Nichts geht mehr!“ – anders als die Spielerinnen und Spieler am Roulettetisch verfügt der Beter jedoch bereits über einen „Schatz“: die Hoffnung auf jemanden, der ihm in seiner „Eigentlich-geht-nichts-mehr-Situation“ zuhört, jemand, der nicht gleich verurteilt, der in ihm auch dann den Menschen sieht, wenn er selber sich unmenschlich vorkommt. 
Diese Hoffnung lässt ihn ansprechen, was er an Unrecht, an Schuld auf sich geladen hat, lässt ihn seine Angst vor denen aussprechen, die ihm jetzt Übles wollen, lässt ihn bitten um die Zuwendung dessen, dem allein er zutraut, dass er seine Situation wenden kann.
Auch wenn uns Heutigen die Sprache der Psalmen oft altbacken, unverständlich, fremd oder gar abstoßend vorkommt – für Fulbert Steffensky, Theologe und Religionspädagoge, ist das „Schwarzbrot-Spiritualität“.
Das Besondere an Schwarzbrot ist: es eignet sich nicht als schnelle Schnitte zum raschen Verschlingen. Für Schwarzbrot brauche ich Geduld. Schwarzbrot muss ich kauen, intensiv und ausgiebig. Dann erst entfaltet sich sein voller Geschmack – und dann erst komme ich auf den Geschmack. „Schwarzbrot-Spiritualität“ heißt in diesem Sinn: Es gibt geistige Nahrung, die braucht Zeit, bis ich ihren Gehalt spüre. Das, was dem Betenden damals aus dem Herzen floss, sein Eingeständnis des Scheiterns zusammen mit der himmelschreienden Hoffnung ..., uns mag es fremd sein. 

Verständlich: Beichten ( – und das ist es im Grunde, was der Psalmbeter tut), die Suche nach Entlastung, die über ein zwischenmenschliches „Tut-mir-leid“ oder „Entschuldige-bitte“ hinaus geht, hat im Lauf der letzten 100, 150 Jahre einen eher negativen Beigeschmack bekommen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zu gut haben wir die Individualisierung und die Freiheit des/der Einzelnen verinnerlicht: von niemandem abhängig, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein, das wird oft als das einzig erstrebenswerte Ziel dargestellt.
Verloren gegangen ist damit das Bewusstsein, der Geschwisterlichkeit aller und das Verwiesen-Sein auf den, den wir Christen und Christinnen als Schöpfer bekennen.

„Ach Herr, du kennst meine ganze Sehnsucht. Mein Stöhnen bleibt dir nicht verborgen.“
Mag der Monatsspruch ein Ansporn sein, dieses oder ein anderes Psalmwort einmal wieder intensiv zu kauen statt gedankenlos wiederzukäuen. Und mögen wir im Kauen dahinter kommen, welche Erfahrungen sich darin verbergen, welche Poesie und welche geistliche Kraft.

Ich wünsche Ihnen „nahrhafte“ Entdeckungen.
Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch September 2018

Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Pred 3,11

Liebe Leser und Leserinnen,
wie oft habe ich diese Worte schon gesprochen. Sie sind mir so vertraut, dass ich sie auswendig kann. Sie tragen einen Zauber in sich, etwas, das sich nicht erklären oder deuten lässt. Wenn ich an einem Sarg stehe, neben den Blumen, die von der Schönheit des Lebens erzählen, wenn ich die Traurigkeit in den Gesichtern der Menschen sehe, die Abschied nehmen und Lebwohl sagen, dann spüre ich die Ewigkeit im Herzen, Schmerz und Trost zugleich. Die Worte erklingen in der Kapelle. Ich hoffe, dass die Menschen, die diese Worte hören, die Schönheit des Lebens sehen und die Ewigkeit erahnen.

Dieser Vers schließt sich im Buch Prediger an die bekannten Worte über die Zeit an. „Alles hat seine Zeit, geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit.“ Mancher hat vielleicht dazu das Lied von Peter Maffay zu „Alles im Leben hat seine Zeit“ im Kopf. Andere vielleicht eher die Version von den Puhdys oder die von Unheilig. Es ist spannend zu hören, wie viele Menschen diese Worte zu ganz unterschiedlicher Musik inspiriert hat. Joseph Haydn gehört natürlich auch zu ihnen. Wer sie nicht kennt oder nicht mehr im Kopf hat, der kann sie im Internet finden.

Alles hat seine Zeit. Für mich münden diese Worte in die Erfahrung: Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit. Egal, was ist, egal, was kommt - ich halte mich daran fest, dass Gott es schön gemacht hat, seine Erde, uns Menschen hat er schön gemacht.  

In dieser Schönheit steckt Gottes Liebe zu seiner Erde und uns Menschen. Ohne sie wäre diese Schönheit nichts. Und dahinein hat Gott die Ewigkeit gelegt. In ihr Herz. In wessen Herz? Es muss das Herz der Menschen sein, in das er die Ewigkeit gelegt hat. Doch bevor der Mensch zu lange darüber grübelt und nachdenkt, fährt der Prediger fort, dass wir Menschen dies nicht ergründen, nicht vollständig verstehen können. Für ihn folgt daraus, dass wir das Leben hier auf der Erde leben sollen. Jeden Moment will er auskosten und leben.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie im September viele Momente erleben, die es sich zu leben lohnt.
Herzliche Grüße
Barbara Neubert.

Monatsspruch August 2018

Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm. 1 Joh 4,16

 

Der Geist füllt,
was die Form umfasst.

Die Liebe ist das Wasser,
die Form ist der Krug.

Das Leben fließt
und die Form sammelt.

 

Tau-Team 2017, Schweiz

Monatsspruch Juli 2018

Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maße der Liebe! Pflüget ein Neues, solange es Zeit ist, den HERRN zu suchen, bis er kommt und Gerechtigkeit über euch regnen lässt! Hos 10,12

Liebe Leserin, lieber Leser,

Gerechtigkeit und Liebe - schöne Worte, große Worte, wichtige Worte. Ob sie wohl für unsere Sommer-Predigtreihe genannt und dann ggf. auch ausgelost worden sind (während ich dies schreibe, ist das noch offen)?

Gerechtigkeit und Liebe - Lebensworte, Worte, die mehr sind als eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Worte, die gelebt werden wollen - und müssen. Das wissen bereits die Menschen, die die biblischen Bücher überliefert haben. 

Die Konkordanz, jenes Buch, in dem Bibelstellen nach alphabetisch geordneten Stichworten zu finden sind, listet das Wort „Gerechtigkeit“ 258 mal auf. „Liebe“ findet sich 179 mal, „lieben“
ca. 225 mal.

Auch Hosea schreibt von Liebe und Gerechtigkeit. Es brodelt zu seiner Zeit. Das Gottesvolk vernachlässigt die Beziehung zu Gott, wendet sich anderen Göttern zu. Das Großreich Assur gewinnt die Macht über Israel. Anhand der genannten Königsnamen wissen wir, dass der Prophet Hosea („JHWH rettet“) über einen langen Zeitraum von mahnend bis werbend für Gott streitet, mal Gerichts-, mal Heilsworte übermittelnd.
Hier, in unserem Monatsspruch, nimmt Hosea ein Bild aus dem bäuerlichen Umfeld auf:
säen, pflügen, ernten, auf Regen warten.

Auch wenn unser Umfeld ein ganz anderes ist - das Anliegen ist so aktuell wie damals: Gerechtigkeit, Liebe, Leben nach den lebensförderlichen Geboten Gottes, Wissen um das Angewiesen-Sein auf Gottes Zuwendung. 

Gerechtigkeit, Liebe … schöne Wörter! Oder doch eher ... leere Worte?
Angesichts dessen, was wir im eigenen Alltag erleben, was die Nachrichten Tag für Tag ins Haus spülen, was sich als Entwicklungen über die Jahre darstellt, könnte sich Verzweiflung einstellen:
- Nord und Süd, Arm und Reich - die Schere klafft immer weiter auseinander;
- „xyz first“ - nationalstaatliche Interessen gewinnen Raum und das auf Kosten derer, die auf Schutz und Heimat hoffen, die in ihren Ländern nicht mehr gewährleistet sind;
- der Klimawandel - vor allem verursacht durch die Unersättlichkeit der reichen Länder, unsere Unersättlichkeit; die Folgen tragen vor allem die, die am wenigsten von Fortschritt und Entwicklung profitieren;
- Verseuchung mit Plastik bis in unsere Nahrungsmittel hinein und in die Antarktis ...

Gerechtigkeit und Liebe?

Getreu dem Motto: „Was nutzt die beste Erziehung, die Kinder machen uns doch alles nach“ fange ich immer wieder bei mir selber an, versuche ich immer wieder neu, mein Denken und Handeln nach dem Maßstab „Liebe und Gerechtigkeit“ auszurichten.
Und das auch deshalb, weil ich festhalten will an dem Glauben, weil ich leben will aus dem Vertrauen: Es gibt jenen Gott, der mich zuerst geliebt hat, der mich mit seiner Gerechtigkeit aufrichtet, der mir in Jesus von Nazareth begegnet, dessen Geistkraft gegen alle Verzweiflung
und Resignation am Leben lässt. 

Ich wünsche Ihnen Sommerwochen voller Erholung und mit der einen oder anderen Gelegenheit, Liebe und Gerechtigkeit auf der Folie des eigenen Lebens durchzubuchstabieren!

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch Juni 2018

Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt. Hebr 13,2

Liebe Leser und Leserinnen,

wer Gastfreundschaft übt, gibt nicht nur etwas. Wer jemanden aufnimmt, der hat damit nicht nur Arbeit.

Im letzten Jahr war der Kirchentag in Berlin. Kirchentag funktioniert nur, wenn Menschen ihre Türen aufmachen und jemanden beherbergen. Viele Berliner haben das getan. Vier Tage lang waren Fremde zu Gast, haben bei ihnen geschlafen und aus ihren Bechern getrunken. Ob Engel unter ihnen waren?

Wenn vor 2000 Jahren Menschen wie Paulus unterwegs waren, dann brauchten sie andere, die sie aufnahmen. Oft hatten Paulus, Priska, Aquila, Junia und all die anderen nicht mehr dabei als ein Empfehlungsschreiben und das Vertrauen, dass sie einen Platz in einem fremden Haus finden würden. Vermutlich hat der Schreiber des Hebräerbriefes dies im Sinn gehabt, als er so eindrücklich mahnte, die Gastfreundschaft nicht zu vergessen.  

Und heute? Was gäbe ich darum, Paulus oder Junia bei mir zu Gast zu haben.

Vor über 70 Jahren sind Menschen aus ihren Dörfern vertrieben worden, zogen gen Westen, nach Berlin, Brandenburg, Westdeutschland. Sie waren auf Gastfreundschaft angewiesen. Wer würde sie aufnehmen? Manche gingen zu Verwandten. Und die anderen?

Viele haben sich schwer getan, Flüchtlinge und Vertriebe zu beherbergen. Andere haben die Gastfreundschaft nicht vergessen. Sie sind zusammen gerückt, damit Platz für alle ist. Haben sie Engel beherbergt?

Engel sind nicht unbedingt Menschen mit versteckten Flügeln, sondern Boten Gottes. Engel sind Menschen, die eine Botschaft von Gott haben, die uns helfen, etwas von der Freundlichkeit Gottes zu begreifen.

Abraham, der Vater des Glaubens, und seine Frau Sarah waren zwei, die die Gastfreundschaft nicht vergessen haben. Sie nahmen drei Männer auf und bewirteten diese mit frischem Kuchen (1. Mose 18) und Rinderbraten. In diesen Männern hat Gott die beiden besucht. Ihre Botschaft: Ihr werdet einen Sohn bekommen. Euer Wunsch, Eltern zu sein, wird sich erfüllen. Ohne ihre Gastfreundschaft hätten Abraham und Sarah diese Worte nicht gehört. 

Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt. Dieser Satz macht mich neugierig auf die, die kommen. Wer weiß, was ich von ihnen hören kann.

Mit herzlichen Wünschen für gute Begegnungen im Juni
Ihre  Barbara Neubert

Monatsspruch Mai 2018

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Heb 11,1

Liebe Leserin, lieber Leser,

es gibt Worte, die haben einen besonderen Klang, lösen bei denen, die sie hören, etwas aus, wenn sie diesen Worten in sich Raum geben.

Es sind Worte, die in sich selber eine Tiefe haben, Worte, die ein Stück Ewigkeit widerspiegeln, Worte, von denen ich spüre: ich kann nur einen Teil von ihnen erfassen.

Liebe ist meines Erachtens so ein Wort, oder Sehnsucht. Und Glaube.
Als Substantiv kommt dieser (lt. Zürcher Konkordanz) in der hebräischen Bibel, unserem Alten Testament, siebenmal vor, im Neuen Testament ungefähr zweihundertvierzigmal.

Dabei ist es allein der uns unbekannte Schreiber des sog. Hebräer-Briefes, der so etwas wie eine Definition von „Glaube“ unternimmt. Diese „Definition“ ist uns im Mai mit auf den Weg gegeben: Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. Heb 11,1

In anderen Übersetzungen klingt es so:
„Was ist nun also der Glaube? Er ist das Vertrauen darauf, dass das, was wir hoffen, sich erfüllen wird, und die Überzeugung, dass das, was man nicht sieht, existiert.“ (Neues Leben)
Oder: „Glaube aber bedeutet: Ausprägung des Erhofften, Ausweis von Wirklichkeiten, die man nicht erblickt.“ (Fridolin Stier)
Oder: „Es ist aber Glaube ein Bestehen auf den Hoffnungen und ein Beweis für die Wirklichkeit des Unsichtbaren.“ (H.-P. Jost)

Zu der tieferen Dimension des Glaubens gehört für mich, dass Glaube etwas ist, mit dem ich nie „fertig“ werde im Leben. Glaube hält in mir die Sehnsucht danach wach, mich immer tiefer in Gott zu verwurzeln, mich in Gott zu gründen. Und das bei aller Vorläufigkeit und Brüchigkeit. Denn: Zum Wesen des Glaubens gehört eben, auf etwas zu bauen, was ich nicht im Griff habe. In unserem „Kredit-Gewähren“ schwingt das lateinische credere (glauben, vertrauen) mit.

Was das biblisch heißt, das fädelt der Schreiber des Hebräerbriefes wie Perlen auf eine Kette. Angefangen von Abel über Henoch, Noah, Sarah, Mose, Rahab und viele Ungenannte weist er aus, was ihr Glaube jeweils bewirkt hat. Bei allen Geschichten ist die Pointe: Im Glauben trauen sie dem unsichtbaren Gott mehr als den eigenen Augen, setzen so auf eine andere Zukunft als jene, die nach menschlichem Ermessen zu erwarten wäre. Sie setzen auf die Zukunft Gottes. Damit erreichen sie oft Großes - und werden belohnt.

Und wieviel geschieht bis heute aus Glauben, gegen alle Wahrscheinlichkeit?! Wie viele Menschen starten Projekte, gehen in den Widerstand, öffnen Lebensperspektiven, wagen Hoffnung - aus Glauben!

Pfingsten - jenes so wenig greifbare Fest um die Kraft des Heiligen Geistes, die weht, wo sie will - steht vor der Tür. Genau diese Kraft ist es wohl auch, die Glauben wachsen lässt - gegen allen Augenschein.

Dass wir uns von dieser Kraft erfüllen und leiten lassen, dass unser Glaube, unser Vertrauen wachsen kann und wir daraus Mut, Fantasie und Kraft gewinnen, an Gottes Reich mit zu bauen - das wünsche ich Ihnen und mir.

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch April 2018

Jesus Christus spricht: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Joh, 20,21

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

Friede sei mit euch! Peace be with you! La paz sea Ustedes!

In welcher Sprache auch immer, diese Worte erreichen mein Herz. Sitz des Gefühls im Deutschen, Sitz des Verstandes im Hebräischen. Und bei Ihnen?

Friede sei mit euch! Paix à vous! Ik wens jullie frede!

Ich höre diese Worte und spüre, wie der Friede wächst. er kommt, im Segen eingehüllt, und erreicht sein Ziel: uns Menschen.

Friede sei mit euch! Mir Božiji je s vama! Pokój wam!

In welcher Sprache auch immer. ich wünschte der Friede könnte die Menschen in der Ukraine, rund um Donezk erreichen und die Menschen in Syrien. Ich wünschte, er könnte die Menschen erreichen, die der Krieg aus Afghanistan getrieben hat, und die jungen Menschen, die aus Eritrea geflohen sind. Und immer wieder hoffe ich, dass er die Menschen in Israel erreicht, an dem Ort, an dem Jesus diese Worte gesprochen hat. Von wo sie ausgegangen sind, rund um die Welt.

Friede sei mit Euch! שלום مالسلا مكيلع
Jesus hat dies zu seinen Jüngern gesagt. Die Geschichte von Maria Magdalena am Grab wird zu Ostern erzählt. Sie erfährt, dass Jesus auferstanden ist, und erzählt es sofort den Jüngern. Gleich danach berichtet das Johannesevangelium, dass Jesus sich seinen Jüngern zeigt. er geht zu den Menschen, die nicht wissen, wie sie ohne ihn weiter leben sollen.

Zu ihnen sagt Jesus: Friede sei mit euch!

Dies sind die ersten Worte, die sie nach seinem Tod aus seinem Mund hören. Diese Worte sind das Wichtigste, das Jesus ihnen nach seiner Auferstehung sagen will.
Diese Worte sind der Segen, mit dem die Freunde Jesu weiterleben.

Zu Ostern werden sie in den unterschiedlichsten Sprachen zu hören sein, damit der Segen uns Menschen erreicht.
Herzliche Grüße und frohe Osterzeit wünscht Ihnen Barbara Neubert

Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

PS: Falls Sie überlegen, in welchen Sprachen ich den Friedenswunsch Jesu hier zitiert habe: es ist Englisch, Spanisch, Französisch, Niederländisch, Serbisch, Polnisch, Arabisch und Hebräisch.

Monatsspruch März 2018

Jesus Christus spricht: Es ist vollbracht! Johannes, 19,30

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

„Finito. Fertig. Es ist vollbracht.“

Für manche mag das ein Stoßseufzer der Erleichterung sein: der Schlussstrich ist gezogen unter eine rechtzeitig fertig gewordene Semesterarbeit, eine schwierige Stellenbesetzung oder eine mut-kostende Trennungsansage. Wer hat dabei schon im Blick, dass das „Es ist vollbracht“ ein Zitat aus der Passionsgeschichte Jesu ist?

Der Evangelist Johannes überliefert es als das letzte Wort, das Jesus spricht, bevor er den Kreuzestod stirbt. Im Griechischen ist es ein einziges Wort: tetelestai.
Die alten Griechen waren stolz darauf, dass sie mit wenigen Wort viel sagen konnten. Das gilt auch für das Wort tetelestai. In diesem „Tropfen eines Wortes“ steckt ein „Meer von Bedeutung“ – jedenfalls wenn wir auf den Evangelisten Johannes schauen und was er mit seiner Version der Passionsgeschichte und eben auch mit dem „Es ist vollbracht“ ausdrückt: der Kreuzestod ist nicht allein ein Lebensende sondern vor allem ein Werk der Erlösung.

Die Tradition hat insgesamt sieben dieser „Worte Jesu am Kreuz“ aus den vier Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes zusammengestellt:
1.  „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)
2.  „Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“  (Lk 23,43)
3.  zu seiner Mutter Maria: „Frau, siehe, dein Sohn!“ und zu Johannes: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26-27)
4.  „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34; Mt 27,46)
5.  „Mich dürstet.“ (Joh 19,28)
6.  „Es ist vollbracht.“ (Joh 19,30)
7.  „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46)

Nicht nur Musiker und Musikerinnen haben sich ansprechen lassen von diesen sieben Worten. Menschen, die heute in der Palliativ-Seelsorge tätig sind, sehen darin eine Art „Programm zum guten Sterben“. Sie erleben in der Begleitung von Sterbenden, dass diese Worte eine tiefe, innere Weisheit in sich tragen, eine Weisheit, die auf dem Weg des Abschieds hilfreich sein kann – für Gläubige und für Nichtgläubige:
– Vergeben können befreit von unguten Bindungen an die, von denen ich Unrecht und Kränkungen erfahren habe. Die Zusage, dass es etwas über das irdische Leben Hinausgehendes gibt, mildert ggf. die Angst vor dem Ende.
– Das Wissen, dass die,  die mir am Herzen liegen, bei einander Trost finden, entlastet.
– Ebenso das Eingeständnis: „Ich fühle mich im Stich gelassen“ und „Mein (Lebens-)Durst ist nicht gestillt“.
– Und: loslassen gelingt eher, wenn ich dazu bereit bin – auch weil ich mich vertrauensvoll loslassen kann in Gottes Hand.

In diese Haltung hineinzuwachsen – bereits jetzt sie einzuüben für die kleinen und großen Abschiede, die uns im Leben immer wieder abgefordert werden … das könnte ein lohnendes Vorhaben für die Passionszeit sein – um dann, nicht nur am Ostersonntag, auch mitten im Leben immer wieder Auferstehung zu erleben!

Ich wünsche Ihnen in diesen Wochen der Passionszeit immer wieder die Chance innezuhalten. Vielleicht nehmen Sie eines der Worte vom Kreuz mit in Ihren Tag, vielleicht erfahren auch Sie dann: „Es ist vollbracht“, indem etwas, was Sie belastet hat, „sterben“ konnte und Sie neu auferstehen an Ostern oder an einem anderen Tag, von Gott geschenkt.

Ihre Pfarrerin Gabriele Helmert

Monatsspruch Februar 2018

Es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust. Deuteronomium 30,14

Liebe Leser und Leserinnen, 

Wo war nur der Einkaufszettel hingeraten? Sie hatte sich extra hingesetzt, alles aufgeschrieben, um nicht wieder das Salz zu vergessen. Jetzt war der Zettel nicht mehr in ihrer Manteltasche. Weder links, noch rechts. Sie versuchte sich an alle zehn Dinge zu erinnern, die drauf standen... oder waren es zwölf gewesen? Zehn oder zwölf Wörter, die würde sie wohl doch erinnern. Sie kaufte ein, brachte zwei Einkaufstaschen voll nach Hause. In der Küche lag ihr Einkaufszettel. Vergessen hatte sie die Zwiebeln. 

Der Monatsspruch für Februar, aus dem 5. Buch Mose, ist so ein Wo-schreibe-ich-diese Wörter-hin-damit-ich-sie-nicht-vergesse. Mehr noch, Gott hat gesehen, wie schnell Menschen seine Worte vergessen, sie irgendwo hinlegen und nicht mehr wissen, wo sie sind. Oder dass sie gefühlt weit weg sind, irgendwo im Himmel oder auf der anderen Seite des Meeres. Nun will er sie so aufschreiben, dass die Menschen sie nicht mehr vergessen. Wohin kann er seine lebenswichtigen Worte schreiben?

Woher kommt eigentlich die Sitte, in den Ehering den Namen des Anvertrauten zu gravieren? Ich habe auch noch nie erlebt, dass jemand in seinem Ehering nachschaut, weil ihm der Name seiner Ehefrau / seinem Ehemann im Moment nicht einfällt. Trotzdem: dieses Wort gehört direkt an den Finger. 

Es geht noch dichter. Vor einer Weile las ich auf einer Wade: „Glaube – Liebe – Hoffnung“ Ob der Mann, der sich diese Worte hatten stechen lassen, weiß, dass sie aus der Bibel stammen? Die Worte sind ihm so wichtig, dass er sie auf seiner Haut eingraviert mit sich trägt. 

 Und es geht noch dichter: Das Wort ist bei dir, in deinem Mund und in deinem Herzen. – Bitte halten Sie das „Du“ nicht für unhöflich. Gott spricht uns nicht mit „Sie“ an. Und so steht in diesem Vers „Du“ und meint nicht nur Sie und mich, sondern das ganze Volk zusammen. Gottes Lebenswort geht direkt ins Herz. Näher geht nicht. Jetzt müssen wir es nur noch tun. 

Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Jahreslosung 2018

Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Offenbarung 21,6

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

traditionell schauen wir zur Jahreswende auf die Jahreslosung, die uns im vor uns liegenden Jahr begleiten wird. 2018 ist es die Zusage, dass den Durstigen gegeben wird aus der Quelle des lebendigen Wassers – umsonst.

Das Buch der Offenbarung, aus dem das Gotteswort genommen ist, gilt als „apokalyptischer“ Text.
Die Apokalyptik will aufdecken, enthüllen, will Missstände wahrnehmen und benennen.

Für seine Zeit und sein Umfeld entlarvt der Seher Johannes Gewalt, indem er Schreckens-Bilder malt. Gleichzeitig zeigt er auf, wie die Gewalt unterbrochen werden kann, wie die Menschen, die seine Texte lesen, ihre Mittäterschaft verweigern können.

Und er zeichnet Visionen der Gerechtigkeit und der nähe Gottes: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“

Der Durst der Durstigen kann vielfältig sein: Durst nach Wasser, Durst nach Liebe, Durst nach Wissen, Durst nach Anerkennung; manche sind getrieben von einem Durst nach Rache ...

Im Dezember tagte der Welt-Klimagipfel in Bonn. Er stand in diesem Jahr unter der Präsidentschaft der Fidschi-Inseln. Für die Delegierten dieser Inselgruppe wie für viele Delegierte (und die, die sie vertreten,) ist Wasser ein (Über-) Lebensthema. Und das aus gegensätzlichen Gründen: Die einen haben viel zu viel Wasser, um überleben zu können, die anderen haben viel zu wenig. Den einen nimmt das Wasser Grund und Boden, den anderen fehlt das Wasser, um Grund und Boden zu bebauen und bepflanzen.

Die einen wie die anderen gehen mir nicht aus dem Sinn – ebenso wenig die „dritten“: wir, die wir durch unsere Ansprüche, durch unseren Lebensstil rücksichtslos Ressourcen aufbrauchen und das Unsere dazu beitragen, dass der Klimawandel immer mehr Fahrt aufnimmt, statt dass wir uns bemühen, die Erderwärmung zu verlangsamen. Die Habenden gieren nach mehr und verkaufen denen, die nichts haben, Trinkwasser in Kanistern – weil das Wasser vor Ort spärlich fließt. Und das, was fließt, ist oft noch verunreinigt durch Chemikalien, intensive Rohstoffgewinnung oder durch überdüngte Böden.

„Wenn es so weitergeht, gibt es eine Katastrophe“ - sagen die einen. „Dass es so weitergeht, ist die Katastrophe“ - sagt Walter Benjamin.

„Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers.“
Das gilt für einen jeden, eine jede, die sich dafür einsetzen, dass es eben nicht „so weitergeht“, das gilt für die, die es „hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit“.
Wobei „Gerechtigkeit“ zunächst einmal ein abstrakter Begriff ist – und das bleibt sie, wenn sie nicht gelebt wird. „Umsonst!“ - für nichts soll es das geben.
Entscheidend ist, sich des Durstes bewusst zu sein.

Ich wünsche uns den Durst nach Gottes Reich im hier und jetzt.
Und das Vertrauen, das uns gegeben wird von der Quelle des lebendigen Wassers. Umsonst.

Ihnen und uns allen einen guten Übergang in das neue Jahr.

Ihre Gabriele Helmert.

Monatsspruch Dezember 2017

Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Lk 1,78-79

Schon wird geschmückt, schon glänzen die Weihnachtssterne in den Schaufenstern, schon leuchten Kinderaugen in Erwartung von Nikolaus, Christkind, Weihnachtsmann....

An so vielen Ecken drängt es Menschen zur großen Freude an Weihnachten; für uns Christinnen und Christen ist sie mit der Geburt Jesu verbunden.
Und gerade deshalb bitten wir für die, „die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes“.

Wir denken in diesen Tagen an die Verstorbenen und ihre trauernden Hinterbliebenen; und wir denken an all jene, die politisch verfolgt werden und zu Unrecht oder ohne Anklage und rechtsstaatliches Verfahren eingesperrt sind. Wir bitten Gott um Beistand, damit er unsere Füße auf den Weg des Friedens führt.

Das aufgehende Licht in dunklen Zeiten kann in verschiedensten Formen aufleuchten. Das erzählt uns diese Geschichte des uruguayischen Journalisten und Schriftstellers Eduardo Galeano, die er in den 70er Jahren während der Diktatur in Uruguay geschrieben hat. Sie möge ihr Licht der Hoffnung, der Freude, des Glaubens aussenden, besonders in den vor uns liegenden Wochen.
Katja Barloschky/Newsletter-Redaktion


Verbotene Vögel
Die politischen Gefangenen in Uruguay durften ohne Erlaubnis nicht reden, auch nicht pfeifen, lächeln, singen, schnell gehen oder andere Gefangene grüßen. Sie durften auch keine Bilder von schwangeren Frauen, Paaren, Schmetterlingen, Sternen oder Vögeln bekommen.

Didako Perez war wegen „ideologischer Ideen“ eingesperrt. Eines Tages wollte seine fünf Jahre alte Tochter Milay ihn sonntags besuchen und brachte eine selbstgemalte Zeichnung von einem Vogel mit. Die Gefängniswärter zerstörten das Bild am Eingang zum Gefängnis.

Am folgenden Sonntag kam Milay mit einer Zeichnung mit Bäumen. Bäume sind nicht verboten und das Bild kommt durch. Didako lobt die Zeichnung seiner Tochter und fragt dann, was die kleinen farbigen Punkte oben im Baum sind, die man kaum zwischen den Blättern sehen kann: „Sind das Orangen? Was für Früchte sind das?“.

Das Mädchen hält einen Finger vor den Mund und sagt leise „Pssst!“. Dann flüstert sie in sein Ohr: „Bist Du albern? Siehst Du nicht, dass das Augen sind? Es sind die Augen der Vögel zwischen den Zweigen, die ich für Dich hereingeschmuggelt habe!“
Eduardo Hughes Galeano
1940 – 2015

Monatsspruch November 2017

Gott spricht: Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein. Ez 37,27

Liebe Leser und Leserinnen,

Wenn Gott sagt, „ich will unter ihnen wohnen“, und wenn er dann unter uns wohnt, wo wird er dann sein? Geben wir ihm ein Zimmer im 5 Sternehotel, mit Blick auf den Berliner Dom? Wohnt er lieber mitten im Zentrum, mit vielen Cafés und Restaurants, oder eher hier draußen, mit Füchsen, die abends durch die Gärten streifen. Bieten wir ihm das schönste Zimmer an, das wir haben?

Ich will unter euch wohnen, sagt Gott. Ob er bei einer Familie mit vier lebhaften Jungs leben will? Da ist immer Aktion. Und wenn er abends Geschichten erzählt, dann freuen sich alle. Oder geben wir ihm lieber einen Platz bei der alten Frau, die jeden Morgen mit einem Seufzer aufsteht. Da kann er das alte Zimmer vom Sohn haben, der schon lange ausgezogen ist. Will Gott bei einer Familie wohnen, die immer in Lichterfelde gelebt hat? Oder ist ihm das egal. Würde er mit jemanden zusammen wohnen wollen, die ein Kopftuch trägt?
Reicht es, wenn er eine Iso-Matte unter einer Brücke bekommt, denn eigentlich ist für ihn kein Platz. Sein Kommen würde zu viel durcheinanderbringen. Wenn es kalt wird, kann er in der Notunterkunft in der Franklinstraße wohnen. Die Leute da sind wirklich nett.

Wenn Gott selbst bei uns wohnen will, welchen Platz bieten wir ihm an? Ein klassischer Ort für Gott wäre die Kirche. Aber die Pauluskirche hat keine Dusche und ist daher unpraktisch. Die Dorfkirche ist einfacher zu heizen, hat aber auch nur eine Toilette. Aber ich stelle mir vor, dass Gott eher irgendwo mittendrin wohnen will.

Ich will unter ihnen wohnen, sagt Gott. Aber so einfach ist das nicht. Und das hat nicht nur mit dem Wohnungsmangel zu tun.

Vor 72 Jahren ging der Krieg zu Ende, vor fast 99 Jahren der 1. Weltkrieg. Danach kamen Soldaten nach Hause, etliche erst nach Jahren der Gefangenschaft. Wo sollten sie wohnen? Mitten unter denen, die den Krieg überlebt hatten, davongekommen waren.

Die Gefangenen der Konzentrationslager kamen zurück. Manche wollten wieder dort wohnen, wo sie vor 1933 gelebt hatten. An ihnen konnten wir etwas von dem verstehen, was es heißt, dass Gott mitten unter uns wohnen will. Sie, die die Male des Krieges und der Gewalt an sich trugen und die jeder für sich und auf seine Weise Mahner zum Frieden waren.

Der Prophet Ezechiel schrieb: „Gott sagt: ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein.“ Ezechiel schrieb dies in einer Zeit, als sich das Volk von Gott verlassen fühlte und sich nicht vorstellen konnte, dass Gott überhaupt noch in seiner Nähe ist. Nun will er sogar unter ihnen wohnen, will da sein, den Alltag mit ihnen teilen.

Für mich klingt in diesen Worten schon die Weihnachtsgeschichte auf: Gott will unter uns wohnen. Im November ist zwar noch nicht Advent, aber Maria war schon im letzten Drittel der Schwangerschaft. Es war unübersehbar, dass da jemand unter ihnen wohnen wollen wird. Dass es Gott selbst ist, wagt zu der Zeit kaum einer zu hoffen. Wo wird er wohnen?

Herzliche Grüße aus der Redaktion des Paulusbriefes, die jede Woche Anfragen bekommt von Menschen, die dringend eine Wohnung suchen.

Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Monatsspruch Oktober

Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut. Lk 15,10 (L)

Liebe Leser und Leserinnen,

… ob das ein Spruch nach Luthers Herz gewesen wäre, dieses Bibelwort, mit dem eins seiner Anliegen, die Menschenfreundlichkeit Gottes darzustellen, zum Zuge kommt?
Er passt zu Luthers Ringen um „innere“ versus „äußere“ Frömmigkeit“.  Und – honi soit qui mal y pense – er mag uns ein guter Begleiter sein aus dem zu Ende gehenden Reformationsjubiläumsjahr, das so unterschiedlich erlebt und aufgenommen worden ist.

„Gut so“ mag der eine, die andere im Stillen denken, „dann können wir jetzt ja wieder zum Wesentlichen kommen.“ Andere mögen sagen: „Ach, war da was?“ Und wieder andere ziehen Bilanz, fragen, was bleibt, fragen, was hat(te) das Reformationsjahr mit mir zu tun?

In mir geben sich die verschiedenen Positionen ein Stell-dich-ein:
Ja, manchmal war es mir zu viel: Luther, Luther, Luther, von der Qietsche-Ente bis zur Socke, von der Nudel bis zum Lätzchen.

Dazwischen gab es aber auch viele ernsthafte Auseinandersetzungen mit unserem schillernden Reformator. Allein, wo kamen sie an? Wer hatte die Zeit, sich damit zu beschäftigen? Der Alltag ist doch allemal schneller...

Und dass der sog. Thesenanschlag 1517 eigentlich nur Anlass für das Reformationsjahr ist, dass darüber hinaus „R e f o r m a t i o n“ in aller Vielfalt ins Auge genommen werden soll, war vor allem während der Konventsfahrt 2015 nach Prag Thema, wo unsere Gesprächspartner*innen immer auch den Blick auf Jan Hus lenkten, den böhmischen Reformator, der hierzulande kaum eine Rolle spielt. (In Klammern: Von Luther heißt es, dass er sich erst einige Zeit nach der Niederschrift seiner Thesen explizit mit Hus beschäftigt habe, um dann, quasi als sein direkter Nachfolger, festzustellen: „Wir sind alle Hussiten, ohne es gewusst zu haben“.).

Ja, die Fülle des Reformationsjubiläums löste bei mir Gefühle von Überforderung aus – und manchmal den Selbstschutz: „Abschalten“.
Und gleichzeitig hat mich das Reformationsjahr angeregt, über das „reformatorische Erbe“ nachzudenken, das zu meinem Lebensweg gehört:

• Dass es „uns“ und „die anderen“ gibt, wurde mir früh bewusst, als ein Wohnungswechsel den Wechsel aus einem evangelischen in einen katholischen Kindergarten mit
sich brachte. Ich erinnere, dass es manches gab, was mir dort fremd war, mich gleichzeitig jedoch auch faszinierte (z.B. Rosenkranz und Marienaltärchen).

• Die Schulzeit erlebte ich in der Diaspora, mit konfessioneller Volksschule (samt getrennten Pausenhöfen), mit munterer Mischung im Gymnasium, mit Fremdheit und Annäherung, Gleichgültigkeit und Gewohnheit (Zitat Beikircher* über die röm.-kath. Rheinländer: „Wie biste getauft?“ „Nomaal“).

• Später dann parallel verschiedene Begegnungen mit evangelischen Gemeinschaften, mit der besonderen Atmosphäre von Kirchentagen und die Zeit in der katholischen Studentengemeinde, wo ich explizit als Evangelische willkommen geheißen wurde und über einige Jahre spirituelle Heimat fand.

So durfte ich beides schätzen lernen: die Fülle der Liturgien dort u n d die Bedeutung des Wortes in der evangelischen Kirche; die Selbstverständlichkeit, Vertrautheit und Gemeinschaft im kommunizierten Glauben u n d die Freiheit meines Glaubensweges. Für diese Bereicherung in meinem Leben bin ich dankbar!


Und ich lernte: hier wie dort gibt es enge-einengende Positionen, hier wie dort haben reformatorische Persönlichkeiten gewirkt und wirken weiterhin (z.B. Leonardo Boff und Dorothee Sölle, Hubert Halbfas und Nadja Bolz-Weber), hier wie dort gab und gibt es Unverständnis, Ausgrenzung, Verletzung ebenso wie Neugier, Wertschätzung. Und hier wie dort erfahren Menschen: Gottes Geist weht, wo er will.

Und das wird – zum Glück – auch nach dem Jubiläumsjahr so sein ... auf allen Seiten von Gottes Weinberg!

Dass wir diese Geistkraft immer wieder in uns spüren, uns davon inspirieren und dazu verleiten lassen, in dieser Kraft an Gottes Reich des Friedens und der Gerechtigkeit mitzuwirken - und ggf. auch umzukehren von menschen- und gottesfeindlichen Wegen: das wünsche ich uns von Herzen.

Ihre Gabriele Helmert

* Konrad Johann Aloysia Beikircher, geb. 22. Dezember 1945 in Bruneck / Südtirol, ist ein rheinischer Kabarettist, Musiker und Autor

Monatsspruch September 2017

Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein. Lk 13,30 (L)

Liebe Leser und Leserinnen, 

diese Rede von den Letzten und den Ersten hat mich oft geärgert. Das klingt nach „Nur einer kann gewinnen!“, und „Wer ist die Beste?“. Das hört sich nach Konkurrenzkampf in Glaubensdingen an. Leistungsdruck haben wir in unserer Gesellschaft genug. Wollen wir den auch noch mit Worten aus der Bibel unterstützen? 

Das neue Schuljahr beginnt. Viele Schülerinnen und Schüler spüren den Leistungsdruck sehr. Kaum eine*r, die und der sich dem entziehen kann. Hauptsache, die Noten stimmen.

„Es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und es sind Erste, die werden die letzten sein.“, sagt Jesus. Wenn ich mit Leistungsdruck und Konkurrenzkampf an diese Worte gehe, komme ich nicht weiter.

Aber Jesus wird nicht den Leistungsdruck in den Schulen im Blick gehabt haben, als er diesen Satz sagte. Er hatte die Menschen in den Städten und Dörfern gesehen, durch die er gezogen war. Er hatte Männer gesehen, die nicht genug verdienten, um ihre alten Eltern zu unterstützen. Er hatte Mütter gesehen, die um ihre gekreuzigten Söhne trauerten. Er hatte alte Menschen gesehen, die vor der Synagoge saßen und bettelten.

Er hatte Menschen gesehen, die ihre Hoffnung verloren hatten und nicht mehr glaubten, dass Gott auf ihrer Seite ist.

Für sie hat Jesus diesen Satz gesagt, für die Letzten der Gesellschaft, für die Vergessenen, für die, die sich nicht mehr vorstellen können, dass das Leben eines Tages gut sein wird.
Aus ihrer Sicht macht der Satz Sinn.

Die Letzten werden die Ersten sein: Eines Tages werden sie nicht die Vergessenen sein, die nicht gehört, nicht ernstgenommen werden. Eines Tages wird nicht mehr gelten „wer arm ist, der wird arm bleiben“, sondern die Armen werden an erster Stelle stehen, angesehen und geachtet sein.

Jesus hat sie schon jetzt als Erste gesehen, als die, die Gott besonders liebt. Ihre Würde wurde sichtbar für andere und vor allem für sie selbst. 

Für unser Schulsystem wünsche ich mir mehr von dieser Perspektive: dass die Kinder gesehen werden, und nicht der Schulabschluss der Eltern; dass nicht zählt, welchen Beruf die Eltern haben, sondern die Begabungen der Schüler*innen. Dieser Satz hilft, dass ich mich nicht daran gewöhne, dass Kinder bei uns nicht die gleichen Chancen haben. 

Der Glaube, dass Gott jedes Kind mit seinen Begabungen sieht, begleitet mich beim Gottesdienst zum Schulanfang, in dem jedes Kind für seinen Schulweg gesegnet wird.

Wie schön, dass wir diese Tradition haben.

Allen Schüler*innen und Eltern, aber auch den Großeltern wünsche ich einen guten Start ins neue Schuljahr!

Ihre Barbara Neubert

Monatsspruch August 2017

Gottes Hilfe habe ich erfahren bis zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei Groß und Klein. Apg 26,22

Liebe Leser und Leserinnen,

Gottes Hilfe haben wir erfahren und Hilfe von Menschen. Der Kirchentag war aufregend. Würde alles klappen, zumindest das Wichtigste? Würden genug Menschen da sein, um zu helfen? Menschen, die ihre Wohnung öffnen für Gäste, Menschen, die um 6 Uhr für 100 Leute Frühstück machen, die sich die Nacht um die Ohren schlagen, damit die anderen in der Schule gut schlafen können, Menschen, die sich um die Organisation kümmern und weiter wissen, wenn etwas schief geht? Würden Menschen sich begeistern und anstecken lassen, von der Energie, die der Kirchentag mitbringt? Ja, es hat geklappt. Danke!!

Menschen haben geholfen und haben sich anstecken lassen. Viele Menschen waren da, haben angepackt und einfach gesagt: „Gerne, ist doch selbstverständlich.“

Einen großen Anteil hat daran Carola Meister, unsere Diakonin. Sie hat sich mit ihrer Energie, Gelassenheit und einem großen Netzwerk um Kirchentagsgäste bei uns in Paulus gekümmert und war für die Ehrenamtlichen da.

Wenn ich heute, einige Wochen später, daran denke, sind diese vielen Begegnungen ein schönes Wunder. Dahinter steckt eine Kraft, die auch Geist Gottes heißt. Wenn ich bei Paulus lese: „Gottes Hilfe haben wir erfahren“, dann ist es für mich genau dies: Gottes Geist ist da, hat Menschen angesteckt und begeistert. Hilfe war da, wann immer sie nötig war. So vieles beim Kirchentag hat geklappt.

Vermutlich sagt Gott dazu: „Gerne, ist doch selbstverständlich.“

Paulus hat aus der Hilfe, die er bekommen hat, die Konsequenz gezogen, dass er Zeuge sein wollte – bei Groß und Klein. Es waren nicht nur Philemon und Aquila, die ihm geholfen haben, nicht nur Chloe aus Korinth und seine Freunde in Ephesus, sondern für ihn war es immer wieder Gott, dessen Hilfe
er erlebt hat. Gottes Geist hat Menschen in Bewegung gesetzt, dass sie für andere da sein konnten. Mir geht es so, wenn ich an den Kirchentag denke. Dankbar schaue ich auf diese Tage: Gott sei Dank für dieses Fest mit seinen Liedern und Begegnungen, mit Gesprächen und Entdeckungen, mit neuen Ideen für unsere Kirche.

Ihnen wünsche ich einen schönen Sommer, in dem Große und Kleine, Sie und ich Gottes Hilfe erfahren.
Ihre Barbara Neubert

Feriensegen

Ein Feriensegen der anderen Art ...

Im übrigen meine ich
Dass Gott unser Herr

Uns einen großen Sommer schenke
Den Familien einen Korb voll Ruhe
Und viele hoffnungsvolle Blicke auf Grün und Blau

Wiesen und Wasser und weiße Strände –

Leise Monate

Dass er das Geschrei aus der Welt nimmt

Und Stille verordnet

Dazu gehört, dass er den Kriegern ihr Handwerk

Aus den Händen nimmt
Und denen, die ohne Arbeit sind die Hoffnungslosigkeit

Und die Mächtigen nicht zu Mafiosi werden lässt
Alle können wir daran mittun und daran arbeiten

Dass das Leben langsamer verläuft
Dass die Welt alle Aufregung verliert
Und die Menschen sich länger ansehen können
Um sich zu sagen: Wir lieben euch!
Gott unser Herr möge diese Stille segnen
Möge diese Stille denen überall in die Ohren blasen
Die unsere Zeit noch schneller machen möchten
Und damit noch kürzer noch atemloser
Gott unser Herr wir bitten dich: Mach es!
Auf dass unser Herz wieder Luft schnappen kann
Unser Auge aufhört zu zappeln
Und unser Ohr wieder richtig hört
Und nicht alles vergisst
Denen die uns dies alles austreiben möchten
Möge Gott der Herr einen Blitz ins Gesäß jagen
Damit sie ihr unmenschliches Tun einsehen
Und die Menschen seines Wohlgefallens in Ruhe lassen
Im wahrhaftigsten Sinn dieses Wortes in Ruhe lassen
Und wir wollen unseren Herrgott abermals bitten
Dieses Ansinnen von uns überall zu segnen
Und weil es sein muss sofort und immerdar!
Danke und Amen. 

Hanns-Dieter Hüsch.

Monatsspruch Juni 2017

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Apg 5,29

Pfarrerin Gabriele Helmert:

Liebe Leserinnen und Leser.

Manchmal kommen so herausgeschnittene Bibelworte ziemlich ‚steil’ daher ... Geht Ihnen und Euch das auch so? Schrittweise suche ich nach einem Schlüssel.

Erster Schritt: eine spontanen Umfrage.
Wir warten auf den Bus mit den nächsten 70 Kirchentagsgästen, die in ihrer Gemeinschaftsquartier-Schule hier in Lichterfelde in Empfang genommen und mit allen nötigen Informationen versorgt werden wollen. „In welchem Klassenraum rolle ich meine Iso-Matte und meinen Schlafsack aus?“, „Wo ist die nächste Toilette?“, „Wie komme ich am schnellsten zum Abend der Begegnung?“ ....
Wir Freiwilligen, Menschen zwischen 13 und 63, von evangelisch bis katholisch, alle unterschiedlich in Gemeinde engagiert, mit „Kirche“ groß geworden.
Ich frage also in die Runde: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ - was fällt Dir dazu ein?Fragezeichen in den Blicken, Schweigen, Halbsätze: „Mh. Muss ich mal drüber nachdenken“ oder „Das würde ja heißen, dass ich weiß, was Gott von mir will ...“ oder „Ja, und Vater und Mutter ehren ...“
So unkommentiert und zusammenhangslos klingt der Satz eher unpersönlich, unangenehm-fordernd, erzeugt bei manchen Unbehagen.
Auch für mich hören sich die Worte merkwürdig hohl an.

Zweiter Schritt: Der Blick in die Bibel.
Ich schaue in die Bibel. Wo steht dieser Satz? Wer sagt ihn zu wem?
Und siehe - es ist, als wäre ein Schalter umgelegt worden:
Das unpersönliche „man“ entpuppt sich als Selbstaussage. „Ich, Petrus, kann nicht anders als die Frohe Botschaft zu verbreiten. Auch wenn Ihr vom Hohen Rat das verboten habt, uns auspeitscht, mich und meinen Mitstreiter dafür ins Gefängnis steckt – ich höre nicht auf, von Jesus Christus zu reden, seine Lehren zu predigen.“
Derselbe Petrus, von dem die Passionsgeschichte erzählt, er habe aus Furcht um das eigene Leben Jesus verleugnet, der steht nachösterlich-nachpfingstlich mutig da und sagt: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Auf dem gerade zu Ende gegangen Kirchentag gab es für mich immer wieder – virtuell und real - Begegnungen mit Menschen, die Gott mehr gehorcht haben, die Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Menschen, die in vielen Jahrhunderten mutig waren, gelebt haben wie Martin Luther oder die Frauen der Reformation.
Menschen, die heute ihrem Gewissen folgen, ihrem Glauben an Gott, den wir Christinnen und Christen drei-in-ein bekennen. Und deshalb in kleinen und großen Dingen konsequent leben - von der regionalen, biologisch und fleischarmen Verpflegung auf dem Kirchentag bis hin zum Einsatz für Flüchtlinge, und das auch unter politischem Druck.
Bin ich als Einzelne, sind wir als Gemeinde immer achtsam dafür, wo wir gefragt sind, einzustehen für Frieden, Versöhnung, Bewahrung der Schöpfung?
Bleibe ich vielleicht zu oft in meiner vertrauten (Kuschel-)Ecke, versuche, niemandem weh zu tun, um mich selber nicht angreifbar zu machen?

Das Bibelwort, das mir am Anfang so steil erschien, erweist sich am Ende als nah, alltagstauglich. Es macht mir Mut, mein Christ-Sein nicht nur auf dem Papier und an Sonntagen, sondern alle Tage zu leben – und das kann auch bedeuten, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch Mai 2017

Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt. Kol 4,6

Pfarrerin Gabriele Helmert:

Ostern, das Fest der Auferstehung, liegt hinter uns.
Die Konfirmationen, Himmelfahrt mit dem Evangelischen Kirchentag und Pfingsten folgen. Hoch-Zeiten im Kirchenjahr, Hoch-Zeiten in der Gemeinde, bevor es in die lange „Fest-lose“ Trinitatiszeit geht.

Und in unserem Alle-Tage-Leben (und Er-Leben)?
Da braucht es, dass Ostern immer wieder neu eingeholt wird, um in uns lebendig zu bleiben.

Sicher, jeder Sonntag ist/sollte sein ein kleines Fest der Auferstehung - weswegen wir ja in den christlichen Kirchen an diesem, dem 8. Tag, den Ruhetag Gottes feiern, nicht mehr am Sabbat, dem im biblischen Schöpfungsbericht grundgelegten 7. Tag.
Gleichzeitig ist es ein ebenso spannendes wie lebensförderliches Unterfangen, über den Sonntag hinaus einen alltäglichen Blick für das Wunder der Auferstehung zu entwickeln.

Denn: Auferstehungszeichen finden wir überall - dort, wo sich etwas verändert. Wo etwas neu wird. Wo sich Leben Bahn bricht. Wo Liebe wächst.
Z.B. auf dem Kirchentag mit all den Erfahrungen und Begegnungen, die mir dort geschenkt werden. Und dabei ist es egal, ob ich zu einer der vielen Veranstaltungen gehe, ob ich als Gastgeberin neue Menschen kennenlerne oder ob eine U- oder S-Bahnfahrt zu einem spontanen Mit-Singe-Konzert wird.
Z.B. an einem beliebigen Tag -  an dem ein Jugendlicher im Bus aufsteht und Platz macht für einen Mann mit Krücke;  an dem eine Frau in der meckernden Schlange im Supermarkt die abgehetzte Kassiererin verteidigt und ihr Mut zuspricht; oder an dem die Ehrenamtliche unserer jungen Äthiopierin im Kirchenasyl ein neues tröstliches Wort auf Deutsch vermittelt hat und ein Lächeln davon spricht.

Mitten im Alltagstrott, mitten im belanglosen Reden, mitten im Konflikt, bei jedem kleinen Handgriff kann ich Mini-Auferstehungen erleben.

Und nein, damit wird das große Oster-Geschehen nicht banalisiert.
Im Gegenteil, es bekommt die Chance, in unserem Leben Bedeutung zu bekommen, es bekommt die Chance, unserem Leben Bedeutung zu geben.

Was es dafür braucht ist meine Offenheit und Bereitschaft für diese Deutung. Es braucht einen weiteren Sinn, den ich, wie andere Sinne auch, üben kann. Die Bibelworte, die uns im Monat Mai mitgegeben werden, können dabei Anstoß und Hilfe sein:

„Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt.“ Kol 4,6

Eine freundliche und mit Salz gewürzte Rede, so stelle ich mir vor, bewirkt etwas bei denen, die sie hören, gibt Klarheit, Orientierung, lässt auf den Geschmack kommen, öffnet die Augen für eine neue Sichtweise. Auferstehung!

Dass wir in Paulus immer mehr zu Experten und Expertinnen für diese kleinen und mittleren Auferstehungserfahrungen im Leben werden, das wünsche ich uns von Herzen. Und ich bin sicher: dann wird die große Auferstehung nicht spurlos an uns vorübergehen!

Ihre Gabriele Helmert

Monatsspruch April 2017

Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. 2. Timotheus 1,7

Pfarrerin Barbara Neubert:

Liebe Leser und Leserinnen,

in den ersten Wochen nach der Amtseinführung des neuen Präsidenten in den USA starrten viele gebannt auf die Nachrichten: Was kommt jetzt? Wird er wirklich alle Menschen ohne Papiere ausweisen? Eine Mauer hochziehen? Die Freundschaft mit den Ländern der EU aufs Spiel setzen? Wie schlimm wird es?
Die Wochen vor der Wahl des/der Nachfolger(s)/in von Präsident Hollande schauen viele gebannt nach Frankreich: Was kommt jetzt? Wie schlimm wird es?
Der Schock des Brexit ist kaum verdaut, das Ausmaß der Veränderungen kaum erfasst. Nationalistische Töne scheinen dadurch lauter zu werden. Und ein Blick auf die Nachrichten aus der Türkei macht es nicht besser. Wohin führt das?

In vielen Gesprächen ist Furcht zu hören, eine gemeinsame Furcht, dass es eigentlich nur schlimmer werden kann und ganz sicher auch wird.
Die Sorge hat mich angesteckt:
Was kommt? Wie wird es? Es ist eine Sorge, die mich wie gelähmt auf jede neue Nachricht schauen ließ. Manche Sorge hat sich als berechtigt herausgestellt. Und Nun? Was können wir als Kirche und Gemeinde dazu sagen, müssen wir dazu sagen?

„Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Recht hast du, Paulus (oder du Schreiber im Namen von Paulus). Der Geist der Furcht hilft nicht weiter; den haben wir auch nicht bekommen. Sondern mit Kraft, Liebe und Besonnenheit werden wir Wege finden. Lasst uns tun, was notwendig ist, lasst uns beharrlich diskutieren und unsere Kirchen offen halten.

Dazu gehört, dass wir als Gemeinde unser Engagement für Geflüchtete fortsetzen. Mit unseren Konfirmanden haben wir die älteste Moschee Berlins besucht, damit sie erleben, wie friedlich und respektvoll der Islam sein kann. Und mit viel Energie wird der Kirchentag vorbereitet. Es ist toll, wie viele aus Paulus fremde Menschen willkommen heißen wollen, ihnen bei sich zu Hause ein Bett anbieten oder in den Gemeinschaftsquartieren helfen.

Wir freuen uns auf die Gespräche und den Austausch, die Diskussionen und den Wind, der mit dem Kirchentag im Mai kommen wird.

Vorher wünsche ich uns allen ein frohes und fröhliches Osterfest.

Ihre Barbara Neubert 

Monatsspruch März 2017

Vor einem grauen Haupt sollst Du aufstehen und die Alten ehren und sollst Dich fürchten vor Deinem Gott; ich bin der Herr.

Levitikus, 19,32

Pfarrerin Gabriele Helmert:

Liebe Leserin, lieber Leser, auwei – mein erster Gedanke – was soll ich mit meinen grauen Haaren denn dazu schreiben?

Schreiben für Sie, unter denen auch manche Ergraute sind? Und das in einer Zeit, in der Jugendliche sich untereinander mit „Ey, Alta, was geht?“ begrüßen und der ältere Herr von der Verkäuferin mit „Was darf‘s sein, junger Mann?“ angesprochen wird?

Dann das Telefonat mit einer Freundin, zwei Jahre jünger als ich, grauhaarig. Sie erzählt von einem Aha-Erlebnis, einem Perspektivwechsel: Auf Grund ihres ehrenamtlichen Engagements ist sie in den letzten Jahren öfter auf den Philippinen gewesen und nahm mit Erstaunen wahr, mit welcher Ehrfurcht ihr und ihrem (grauhäuptigen) Mann begegnet wurde. Dass das mitnichten allein ihrer „Mission“ geschuldet war, konnten sie vielfältig

beobachten. In Familien, in Gruppen, auf der Straße: der Umgang mit der älteren Generation sei vielfach geprägt von zugewandter Ehrerbietung, unaufgeregter Selbstverständlichkeit, von Respekt vor der Lebensleistung der Älteren. Und nein, das habe nichts Zwanghaftes, keinen moraltriefenden Anspruch. Es sei einfach so:

„Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren.“

Möglicherweise haben andere Kulturen Ähnliches übernommen und bewahrt, was Juden- und Christentum in ihrem „Grundbuch“, in ihren Heiligen Schriften von Thora bzw. AT überliefert haben. Und möglicherweise ist diese Aufforderung in der sog. Ersten Welt verschüttet, überlagert von Entwicklungen der Neuzeit, indem Menschen das immer Neue auf ihren Altar stellen / indem w i r das immer Neue auf u n s e r e n Altar stellen?!

In der zum Reformationsjubiläum revidierten Luther-Übersetzung ist das 19. Kapitel im 3. Buch Mose (woher der Monatsspruch stammt) überschrieben mit: „Von der Heiligung des Lebens“. Das ist eine, wie ich finde, sehr ansprechende, dem Leben und den Menschen zugewandte Ansage.

Bleibt die Frage: Was braucht es, dass wir die „Heiligung des Lebens“ wieder als zutiefst zu uns gehörend anerkennen, als lebensförderlich erkennen und leben?

Vielleicht genau dies, den zweiten Teil des Monatspruchs: „Du sollst dich fürchten vor deinem Gott; ich bin der HERR.“ Das „fürchten“ mag uns erschrecken oder auch abschrecken. Ich übersetze es für mich: Gott, der Herr, ist Herr des Lebens. Wir sind verwiesen auf ihn. Darum gilt ihm unsere Ehrfurcht. Gott ist das Absolute, das Unnennbare, Heilige – und gleichzeitig das, was uns menschlich macht und uns untereinander und aufeinander bezieht. Gott ist die Kraft, die Herz und Augen öffnet für andere, auch für den Schatz des Alters.

Ob blond oder rot, grau oder gefärbt, wir sind dazu berufen, das von Gott geschenkte Leben zu heiligen und Verantwortung dafür zu übernehmen, in unserem persönlichen Umfeld ebenso wie auf der gesellschaftlichen Ebene.

Dass wir dabei immer wieder Gottes Segen spüren, das wünsche ich Ihnen und uns allen.

Letzte Änderung am: 08.06.2022