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Monatsspruch März 2024

„Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.” Markus 16,6

Der Ostermarkt vor dem Forum Steglitz läuft seit Tagen. Auf meinen Spaziergängen entdecke ich bereits Ostereier in den Vorgärten. 

Dass das Osterfest und die Osterfreude erst mit dem Ostersonntag beginnen, entgleitet dem Bewusstsein immer mehr. Eigentlich sind die bunten Eier noch gar nicht dran! Denn es ist Passionszeit: Und in diesen Wochen denken wir an den 
Leidensweg Jesu. Wir verbinden dieses Erinnern mit tiefer Solidarität für die Menschen, die auch heute Leid in unserer Welt ertragen. Wir brauchen solche Wochen im Jahr, die uns besonders sensibel dafür machen! 

Aber nun macht mir zusätzlich der Monatsspruch für den März einen Strich durch diesen sinnvollen Rhythmus. Auch er durchbricht die Reihenfolge von Nachdenklichkeit einerseits und späterer Osterfreude andererseits. 

Denn: Obwohl erst am 31. März Ostern ist, hören wir im Monatsspruch schon den gesamten März hindurch von dem großen Finale des Ostermorgens:  

„Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.” Mit diesen Worten des Monatsspruchs werden die drei Frauen am Morgen des Ostertages aus ihrer Traurigkeit gerissen. Sie suchen den Gekreuzigten in seinem Grab. Stattdessen finden Maria Magdalena, Salome und die Mutter des Jakobus nun einen Jüngling in der Gruft sitzen. Er erzählt ihnen von der Auferstehung.   

Genau genommen sind das ziemlich nüchterne Worte, in die der Jüngling am Grab die Osterbotschaft verpackt. Und trotzdem haben sie eine unglaubliche Dynamik entwickelt. Ohne die Osterbotschaft am Grab wären Jesus und seine Jünger eine Randerscheinung der Geschichte geblieben.

Doch es ist anders gekommen: Bis heute lassen sich Menschen weltweit von Jesus aus Nazareth faszinieren. Und bis heute finden Menschen im Glauben an Jesus Kraft. Und sie finden in ihm Trost auf ein Leben nach dem Tod.

Und so nehme ich mir für diese Wochen fest vor, dass ich beides miteinander verbinde: Ich will in jedem Osterei, das viel zu früh hängt, ein Zeichen sehen: die freudige Botschaft von Ostern hat sich durchgesetzt. 

Und zugleich will ich der Botschaft des Jünglings folgen „Entsetzt euch nicht...!” Auch diese Worte brauchen wir: Wenn wir in den Passionswochen bewusst hinschauen, wo auch heute Menschen einen Leidensweg zu durchstehen haben. 

Ihr Björn-Christoph Sellin-Reschke

              

Monatsspruch Februar 2024

Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit. 2 Tim 3,16

Wie wollen wir leben? Viele Menschen folgen dem Mainstream. Ist das aber das Richtige auch für uns Christ*innen? Sollten wir vielleicht andere Kriterien haben als die, die uns Werbung, Film, Fernsehen und Influencer*innen vorführen? 

Von solch modernen Verführungen wusste der Autor des 2. Briefes an Timotheus noch nichts, als er dem jungen Mann die Beachtung der ‚Schriften‘, also der Bibel, ans Herz legte. Denn auch damals musste jede*r den eigenen Weg finden in den Angeboten und Verlockungen des Lebens und zwischen Gut und Böse unterscheiden lernen. 

Der Autor ist gewiss, dass Gott aus den Texten der Bibel zu uns spricht – seien sie nun wörtlich eingegeben oder nicht. Ihre göttliche Weisung schmälert das für mich nicht. Wichtig ist ihre Antwort auf die Frage „Was ist lebensdienlich und was verhindert Gerechtigkeit?“ 

Der Autor will Timotheus dazu befähigen die junge Gemeinde zu leiten. Mit der Bibel als Richtschnur soll er andere in der Nachfolge Jesu schulen, Irrlehren erkennen und abwehren und den christlichen Gemeinden ihren Weg im andersgläubigen Umfeld zeigen. 

Denn nicht erst heute lassen sich Einzelne und Gruppen schnell irritieren und verführen, wenn politische und geistliche Rattenfänger einfache Lösungen versprechen. Die aber gibt es nicht – damals so wenig wie heute. einfache Lösungen sind naturgemäß einseitig, sie können der Vielfalt von Menschen, Meinungen, Herkünften, Weltanschauungen usw. nicht gerecht werden. Deshalb grenzen sie andere automatisch aus und schmälern ihre Rechte. 

Das aber widerspricht schon dem ersten Kapitel der Bibel. Dort lesen wir: Gott schuf die Erde und sie war sehr gut. Und: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild“. Was bedeutet das für unseren Umgang mit der Schöpfung? Was für weltweite Gerechtigkeit? Für unseren Umgang mit Queeren, Geflüchteten, Gehandicapten und solchen, die uns nicht gefallen? Was können wir, was kann ich tun, damit alle auf dieser Erde leben können, vom kleinsten Insekt bis zum Pottwal? 

Fast könnte man verzagen angesichts dieser und anderer Herausforderungen unserer Zeit. Aber bange machen gilt nicht, höre ich den 2. Timotheus auch uns, auch mir, zurufen. Im Vertrauen auf Gott dürfen wir uns ihnen stellen, wie Timotheus. Die Hebräische Bibel im Alten Testament und das Evangelium von Jesu Christus im Neues Testament weisen uns den Weg. Sie lehren uns, was gut ist und was böse, was gottdienlich und was menschen- und schöpfungsverachtend. Damit alle leben können.

Sabine Ost, Pfarrerin i.R.

Jahreslosung 2024

Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen. 1. Korintherbrief 16,14

Simeon stand zwischen Verheißung und Erfüllung – wir stehen zwischen altem und neuen Jahr, zwischen Monatsspruch und Jahreslosung und damit zwischen Zuspruch und Aufforderung: „Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen!“ (1. Kor 16,14).

Alles. Und was, wenn es nicht gelingt? Die Überforderung scheint vorprogrammiert. Es hilft, wenn man sich die Bedeutung der hier gemeinten Liebe vor Augen hält: Agape steht im griechischen Text. Diese Sprachwelt kannte drei Formen der Liebe. Eros, die Liebe, die uns mitreißt und für einen anderen Menschen brennen lässt. Philia, eine Form der Liebe, die eher innige Hingabe meint. Zum Beispiel die der Philosophen, die die Weisheit lieben. Agape schließlich ist die gemäßigte Liebe. Eine grundsätzliche Sympathie. 

„Alles, was ihr tut, soll in grundsätzlicher Sympathie geschehen.“ Das klingt schaffbar und bleibt trotzdem eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Es bedeutet bewusste Verlangsamung im Urteil gegenüber denen, die mir begegnen.  Es bedeutet Ehrlichkeit, wenn sich anstatt Sympathie vielmehr Antipathie in mir breit machen will. Es bedeutet das Gegenüber anders sein zu lassen, aber auch bei mir selbst bleiben zu dürfen. Damit wird aus einer Jahreslosung, die sich auf den ersten Blick nützlich für die anderen liest, eine Jahreslosung, die allen Beteiligten zugutekommt. 

2024 – zwischen Zuspruch und Herausforderung. Das wünsche ich Ihnen für das neue Jahr, verbunden mit Gottes Segen. 

Ihre Pfarrerin Rebekka Luther

Monatsspruch Dezember 2023

Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen, das Heil, das Du bereitet hast vor allen Völkern. Lukas 2,30-31

Mit der Geburt eines Kindes wird immer auch ein Stück Zukunft geboren. Vielleicht heißt es deshalb, man „erwartet“ ein Kind. Und irgendwie warten gefühlt alle ringsum auf so ein noch ungeborenes Kind. Müssen warten - denn die Zukunft kann man nicht beschleunigen. Sie kommt, tritt ein und geschieht, wenn die Gegenwart verstrichen ist. 

In Jerusalem wartete vor etwas über 2000 Jahren Simeon. Er wartete auch auf beides: Auf Zukunftsperspektiven für sein Land und auf das Kind, mit dem diese Zukunft anbrechen sollte. Jede Geburt verändert die Geschichte einer Familie. Als Simeon den kleinen Jesus in den Armen hält, spürt er, dass sich mit diesem Kind die Menschheitsgeschichte verändern wird. Deshalb spricht er laut aus, was als Monatsspruch für den Dezember ausgewählt wurde: „Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen, das Heil, das Du bereitet hast vor allen Völkern.“ (Lk 2,30-31). Simeon sieht mit eigenen Augen, dass es weitergehen wird. 

Wir stehen am Ende des Jahres 2023 – und dieses Ende wirft noch einmal so viele Fragen nach der Zukunft auf. Der Monatsspruch stellt sich allen Zweifeln und dunklen Vorahnungen entgegen. Die Zukunft liegt bereits im Jetzt. Vielleicht viel zu klein und verborgen, so dass wir es für wirkungslos halten. Aber eben doch schon da, so wie das Kind in Simeons Arme liegt. Dass es dort liegt, dass er in diesem kleinen Jesus bereits die Zukunft erkennt, ist mit seinem eigenen Handeln verbunden. Simeon hat gewartet, sich dann aber auf den Weg zum Tempel gemacht.

Pfarrerin i.E. Rebekka Luther

Monatsspruch November 2023

Er allein breitet den Himmel aus und geht auf den Wogen des Meers. Er macht den Großen Wagen am Himmel und den Orion und das Siebengestirn und die Sterne des Südens. Hiob 9,8-9

Mit dem Blick in den Himmel haben wir es in Berlin nicht ganz leicht:  Zu viel „Lichtverschmutzung” – zu viel künstliches Licht um uns herum, so dass wir einen dunklen Himmel hier nicht erleben. Und trotzdem: Die Sternbilder, die wir selbst als Großstadtmenschen erfassen können, faszinieren bis heute. 

Von dieser Faszination wurden auch Menschen der Bibel immer wieder ergriffen. Schließlich sind Sternkonstellationen wie z.B. das Siebengestirn ca. 125 Millionen Jahre alt. Sie waren also auch zu biblischen Zeiten zu sehen.  
Und so stimmten Menschen damals – mit dem Blick in den nächtlichen Himmel – immer wieder ein Loblied auf Gott an, wie unser Monatsspruch zeigt. Sie erkannten in der unendlichen Zahl von funkelnden Sternen ein Werk des Schöpfers. Das war ihnen genug an Beweisen für einen erhabenen Gott. Mehr brauchten sie nicht! 

Für viele von uns stellt der Monat November eine besondere Herausforderung dar, an einen starken Gott glauben zu können. Im November verdichten sich Totengedenken und die Erinnerung an Kriege und Kriegsopfer durch die entsprechenden Gedenktage.   

Wie können wir mit diesen Eindrücken und Erinnerungen zu einem Gotteslob finden?
Ist ein Sternenhimmel nicht zu banal dafür, wenn wir das Leid in der Welt ernst nehmen oder eigene Trauer tief schmerzt?

Für Hiob, von dem unser Monatsspruch kommt, schlossen sich erlittenes Leid und ein gleichzeitiges Gotteslob unter dem Sternenhimmel nicht aus. Er hatte seine Familie verloren. Sein Hab und Gut waren zugrunde gegangen. Als Reaktion bezweifelt er, dass Gott gerecht ist. Die uns bekannte Frage „Womit habe ich das verdient?” beantwortet Hiob ganz deutlich: ”Ich habe dieses Leid nicht verdient!” 

Und trotzdem bewegt der Blick in den Himmel sein Herz. Ist es die Weite des Alls, die ihn innerlich weit werden lässt? Ist es vielleicht auch Demut angesichts dieser Unendlichkeit? Oder spürt Hiob sogar Trost, dass alles von Gott seinen Platz erhalten hat – dort oben und hier unten? 

Was genau es für den Hiob der Bibel war, werden wir nicht ergründen. Aber was der Blick in den Himmel mit mir macht – das kann ich einfach mal wieder ausprobieren. Selbst in Berlin!

Es grüßt Sie herzlich
Ihr Björn-Christoph Sellin-Reschke

Monatsspruch Oktober 2023

Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst. Jakobus 1,22

Wir kennen ihn nicht, den Verfasser des Jakobusbriefs. Aber durch diesen Vers stelle ich ihn mir als jemanden vor, der sich die Ärmel hochkrempelt und loslegt. Und dabei handelt er nicht überstürzt. Er unterscheidet, wie man auf das Gehörte reagieren soll. In den umliegenden Versen warnt er zum Beispiel davor, nach dem Hören direkt selbst loszureden, begleitet und getrieben von starken Gefühlen. Denn dann hätte man aus dem Wort Gottes das eigene Wort gemacht, indem man ihm den eigenen Stempel aufdrückt, sich damit schmückt oder ihm zustimmt aber eben dort verbleibt: „Wer das Wort hört, aber nicht danach handelt, ist wie jemand, der sein Gesicht im Spiegel betrachtet: Er schaut sich an, geht weg und vergisst sofort, wie er aussieht.“ Es hallt nicht nach, es wirkt nicht nach. Es verschwindet, das Wort. 

Dieser Monatsspruch verleitet dazu, in die Welt zu blicken und zu bedauern, dass diese fast 2.000 Jahre alte Erkenntnis so gar keine Spuren hinterlassen hat. Wie viel friedlicher wäre diese Welt doch, wenn…! 
Und damit würden wir gleich wieder in die Falle tappen, vor der im Jakobusbrief
gewarnt wird. Wir wären wieder im eigenen Wort gelandet, anstatt das Wort Gottes in unser Handeln zu übertragen. Gleichzeitig klingt es viel zu groß – das Wort tun – was heißt das konkret in Ihrem und in meinem Leben? Und mir fehlt da ein Zwischenschritt – das Gehörte muss doch auch verstanden und bewegt werden.

Drei Verse später wird klar: Die Auseinandersetzung mit dem Gehörten ist 
mitgedacht – der Jakobsbrief nennt es, sich in das Gesetz vertiefen. Heute würden
wir sagen, sich intensiv mit den biblischen Texten befassen. Wer das tut, bleibt nicht unberührt und das wird abfärben auf unser Leben. Wir werden uns nicht entziehen können, wenn wir uns einlassen. Und damit wird aus dem fast überfordernd klingenden Auftrag des Tuns eine Entlastung zum Vertrauen. 

Rebekka Luther

Monatsspruch September 2023

Wir sind nur Mitarbeiter, die zu eurer Freude beitragen sollen. (2. Korinther 1,24)

Liebe Leserin und lieber Leser, 

fast zehn Jahre ist es her, dass ich diesen Satz des Apostel Paulus für meine Arbeit in Paulus gewählt habe: Mitarbeiter eurer Freude. Er beschreibt ziemlich gut, was mir als Pfarrerin wichtig ist und ich an meinem Beruf liebe. 

Es geht um die Freude, immer wieder um die Freude und weniger darum, dem andern zu sagen, was er zu tun oder zu glauben hat. Es geht darum, ihn oder sie zu unterstützen, damit es ihm gut geht und er sich freuen kann. Paulus, der große Apostel, stellt an dieser Stelle nicht sein Wissen oder seine Berufung in den Vordergrund, sondern seinen Dienst. 

Gott schenkt Glauben, Hoffnung und Vertrauen. Als Pfarrer und Pfarrerinnen haben wir nicht mehr davon. Wir können den Glauben nicht machen. Wir können
hinschauen, da sein, begleiten und manchmal helfen, wenn Glaube, Hoffnung und Vertrauen wachsen, dass die Freude sichtbar wird und Raum bekommen kann. 

Wir haben viel zusammen gelacht in den Jahren, trotz Abschieden, Befürchtungen und Corona.  

Was mich jetzt bewegt, ist ein großer Dank für diese fast zehn Jahre. Paulus ist eine tolle Gemeinde. Manchmal ein wenig anarchistisch. Das bedeutet aber auch, dass es Raum gibt, dass verschiedene Menschen Ideen von Gemeinde verwirklichen können. Sie engagieren sich und tragen dazu bei, dass Paulus so bunt und lebendig ist. 

Das geht, wenn die Stärken und Fähigkeiten des anderen gesehen und mit 
den Schwächen barmherzig umgegangen wird. Es ist nicht selbstverständlich, dass das gelingt. Aber es geschieht, wenn Gott seinen Geist dazu gibt. Das habe ich immer wieder erlebt: in Gottesdiensten und Gesprächen, in der Küsterei und im Kindergarten, mit Musik und mit Menschen, in Sitzungen und in der Stille (und so erinnere ich zu jedem Buchstaben des Alphabets an etwas). Ich nehme so viel mit und bin Gott dankbar dafür. 

Nun geht meine Arbeit an anderer Stelle unserer Kirche weiter. Gemeindemitglied kann ich zum Glück bleiben.

Mein Wunsch für Sie steht am Ende des 2. Korintherbriefes und hängt somit eng mit der Freude zusammen: „Ich wünsche euch allen die Gnade, die der Herr Jesus Christus gewährt. Ich wünsche euch die Liebe, die Gott schenkt, und die Gemeinschaft, die der Heilige Geist bewirkt.“ (2. Kor 13,13)  

Bleiben Sie behütet 
Ihre Pfarrerin Barbara Neubert 

Monatsspruch August 2023

Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich. Ps 63,8 (L)

Frohlocken? Im Wörterbuch heißt es „vor Freude jubeln, jauchzen“, ja, „triumphieren“!
Wie kann ich ‚frohlocken‘, wie kann überhaupt jemand frohlocken im Angesicht dessen, was in der Welt vor sich geht? Brände in Griechenland, Tornados in Bayern, bleichende Korallenriffe vor Floridas Küste, russische Bomben auf Getreidespeicher und -Häfen – also auf Lebensmittel für Millionen von Menschen: Ist es nicht buchstäblich zum verrückt werden? „Ökologie macht wahnsinnig“, schrieb der französische Soziologe Bruno Latour, und ich füge hinzu: Krieg auch. 
Hilfe tut Not. Was hilft dagegen, dass wir im alltäglich notwendigen Verdrängungsprozess verhärten? Dass wir unseren Mut zur Betroffenheit verlieren? Dass wir das Böse nicht mehr an uns heranlassen, an unsere „Herzhaut“ (Hilde Domin)? Wie bleibe ich erreichbar für die Not der Geschöpfe der Schöpfung, wie für die Schreie der leidenden Menschen nach Gerechtigkeit? 

Im Psalm Davids scheint Hilfe auf.

Der Erzählung nach rettet sich David vor seinem Verfolger Saulus in die Wüste Juda. Hier nun, allein, auf sich gestellt, in der sengenden Sonnenglut und ohne Aussicht auf Hilfe aus einem gruseligen absehbaren Schicksal, wendet er sich seinem Gott zu. Statt seine Angst zu nähren, widmet er sich ganz der Liebe zum Höchsten. Er betet, meditiert, komponiert Visionen der göttlichen Güte vor seinem inneren Auge. Er preist und dankt dem einen Gott und stellt sich in seine Gnade. 
Bildlich wird Gott für ihn dabei zu einem Wesen mit Schwingen; und wie ein verlorenes Küken rollt er sich ein in den Schatten der schützenden Flügel. Meine Enkelkinder bauen mit Vorliebe Höhlen aus allem, was sich dafür eignet, und dahin ziehen sie sich zurück, um allein zu sein, um sich unverwundbar zu machen, um es besonders gemütlich und warm zu haben, um Schutz zu spüren. Wie David, so stelle ich mir vor, der sich seine Höhle in der Wüste schafft: hier spürt und lässt er zu, dass er nicht allein ist, dass es eine höhere, eine gerechte Instanz gibt. In der Hingabe zur Liebe Gottes wird er ein Mensch und handlungsfähig. 

So sei es. Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten Deiner Flügel frohlocke ich.

Katja Barloschky

Monatsspruch Juli 2023

Jesus Christus spricht: Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet. Mt 5,44-45

Die großen Worte von der Feindesliebe, die in der Bergpredigt im Matthäus Evangelium stehen, sind faszinierend und überfordernd zugleich.  

Die einen sagen, dass man mit Feindesliebe keine Politik machen kann. Für das wirkliche Leben seien diese Worte untauglich. Andere halten sie für den Kern christlicher Ethik, auch wenn von der Hilfe für Feinde bereits im Alten Testament gesprochen wird.  

Auf jeden Fall hat diese Liebe nichts mit roten Herzen und Blumen zum Valentinstag zu tun. Es geht nicht um liebevolle Gefühle für den Feind, sondern um das Tun. 

Was ist hier gefordert? Den Feind zu lieben wie den Nächsten, wie sich selbst? Den Feind, also den Menschen, der mir Böses will. Das kann einer sein, der mich persönlich kennt. Es kann aber auch ein politischer Herrscher sein, der mich bedroht.  Einen Vladimir Putin lieben zu sollen, das überfordert mich. Und es würde ihn auch nicht zu einem besseren Menschen machen. Matthäus selber war von diesem Gebot überfordert, wenn man liest, wie er gegen Pharisäer gewettert hat. 

Soll man diese Worte beiseitelegen und sagen: „Gut gemeint, geht aber in dieser Welt nicht“ oder „Wichtige Worte, aber nur für Heilige und Lebensmüde.“?  

Das wusste Jesus selber. Und trotzdem stehen diese Worte in der Bergpredigt für alle. Jesus gibt einen Grund an: Seine Freunde lieben, das kann jeder. Von Menschen, die ihn nachfolgen, erwartet er mehr. Und er traut es ihnen zu. 

Denn zuerst ist es Gott, der die Menschen liebt, alle. Diese Liebe können Menschen widerspiegeln. Diese Liebe kann im Alltag wirksam werden. Das ist die Aufgabe, die Jesus stellt. 

Vor ein paar Wochen war eine Gruppe aus der Gemeinde in Flossenbürg. Wir haben die KZ-Gedenkstätte besucht. Der Berliner Theologe und Pfarrer Dietrich Bonhoeffer war dorthin gebracht worden. Keine 12 Stunden später wurde er ermordet. Wir standen dort, wo Dietrich Bonhoeffer hingerichtet worden ist. Im Mai 1944 schrieb Bonhoeffer zur Taufe seines Neffen, dass die großen Worte wie die von der Feindesliebe fern und schwer zu verstehen seien. Denn die Kirche hat an vielen Stellen versagt. Alles Denken, Reden und Tun von Christen müsse neu geboren werden aus dem Beten und Tun des Gerechten. 

Von daher lassen sich diese Worte von der Feindesliebe wohl am ehesten im Gebet verstehen und im Ausprobieren. Und ich denke, dass diese Worte ein Schutz sind, um vom Hass auf den Feind nicht innerlich zerfressen zu werden. 

Barbara Neubert

Monatsspruch Juni 2023

„Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle!” 1. Mose 27,28

Was kommt meinem Lebensgefühl näher? Bin ich eher ein Mensch, der das Glas halbvoll sieht? Oder würde ich mich zu denen zählen, die das Glas als halbleer empfinden? Sehe ich eher das, was ich habe? Oder blicke ich öfter auf das, was meiner Meinung nach fehlt? 

Im bekannten Psalm 23 ist davon die Rede, dass Gott mir „voll einschenkt”. Und auch der Monatsspruch für den Juni lenkt meinen Blick auf die Fülle dessen, was Gott gibt.
Gemessen an diesem Bild, das der Monatsspruch vor Augen malt, fehlt es uns an nichts! Egal, wo wir hinschauen: wir leben insgesamt in einem Land der Fülle, mit Korn und Wein und Regen! Gott sei Dank! Immer noch – trotz bedrohlicher Klimaveränderungen. 

Im biblischen Zusammenhang ist unser Monatsspruch aber eigentlich ein zugesprochenes Segenswort, eine Hoffnung also! Ein Wunsch für die Zukunft! 

„Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle!” Isaak segnet mit diesen Worten seinen Sohn Jakob. Man bedenke: sie waren Nomaden – d.h. Menschen, die ihr Leben lang unterwegs waren – immer auf der Suche nach aus-reichender „Fülle” für sich und ihr Vieh. Eine ganz andere Vorstellung von „Fülle” als wir sie heute haben!

Vielleicht sollten wir es öfter dem Isaak nachtun und ebenfalls mit diesen Worten die nachfolgende(n) Generation(en) segnen. Als ernstgemeinten Wunsch für sie!  Aber auch mit der Hoffnung, dass wir alle öfter wahrnehmen, was uns an Fülle geschenkt ist. Bloß nicht immerzu den Blick versteifen auf das, was darüber hinaus noch möglich wäre. 

Einen Segen für die nachfolgende Generation werden wir im Rahmen unseres Sommerfestes am 17. Juni weitergeben. Im Gottesdienst zum Beginn des Festes werden die Kitakinder gesegnet, die nach den Sommerferien in die Schule kommen. Herzliche Einladung an die ganze Gemeinde bei dieser Segnung und beim anschließenden Fest dabei zu sein! 

Für den Jakob in der biblischen Geschichte stellt sich allerdings nicht eins zu eins sofort die Fülle ein, nachdem er von seinem Vater den Segen empfangen hat. Im Gegenteil! Für ihn beginnt danach eine Flucht und schwere Arbeit fern seiner Familie. 

Ob es ihm gelungen ist, in dieser Zeit, sein Glas immer als halbvoll zu sehen? 

Es grüßt Sie herzlich,                                                                                                  
Ihr Björn-Christoph Sellin-Reschke

Monatsspruch Mai 2023

„Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.“ Sprüche 3,27

Liebe Leserinnen und Leser,

„Hochmut kommt vor dem Fall“ (Spr 16,18b).
„Wer eine Grube gräbt, der wird in sie fallen“ (Spr 26,27a).

Zwei bekannte Redensarten aus dem Buch der Sprüche. Dieses Buch will eine Anleitung zum guten Leben sein, also eine Sammlung von Lebensweisheiten im Stil eines Erziehungs- und Bildungsprogramms: Wer es liest und auf die Sprüche achtet, wird weise und ist gottesfürchtig.

Aus diesem Buch der Sprüche stammt auch der Monatsspruch für den Mai 2023. „Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.“ Zu einer Redensart ist der Monatsspruch nicht geworden. Woran das liegen könnte?

Vielleicht weil beim Spruch zum Hochmut und zur Grube auch auf andere gezeigt werden kann: Lapidar geäußert, vielleicht sogar schadenfroh mit einer gewissen Genugtuung, dass man mit einem solchen Verhalten nicht durchkommt.

Der Monatsspruch hingegen zeigt nicht auf andere, sondern fordert mich auf. Ich bin gemeint, wenn meine Hand es vermag.

„Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.“

Ich kann, daher soll ich. So wird aus dem Können eine gewisse Handlungspflicht abgeleitet. Keine Redensart, sondern eine Handlungsart. Beim ersten Lesen denke ich noch: Wer kann da schon ablehnen, wer kann da schon mit einem „nein“ reagieren.

Vor allem, wenn die gute Tat einem Bedürftigen zugutekommt. Wer will schon einer Person, die Not leidet, die hungert, ausschlagen, mit einer guten Tat zu helfen; zumal die Aufforderung eingeschränkt wird: „... wenn deine Hand es vermag“.

Und dann fallen mir die vielen Situationen ein, in denen ich mich zurückhalte: Immer wieder in der Bahn, wenn Bedürftige um eine Gabe bitten, immer wieder, wenn ich in einem Moment in Eile bin und nicht stehenbleibe, um Gutes zu tun.

Also doch nicht so leicht, der Mahnung gerecht zu werden. Der Spruch ist eine Anleitung: Schätze Dich selbst ein, schätze Dein Gegenüber ein. Was kann ich und wer ist des Guten bedürftig? Dieser Spruch ist eine Aufforderung zur Aufmerksamkeit. Nicht immer, aber auch nicht nie, sondern immer wieder kann ich dem Bedürftigen Gutes tun.

Aufmerksamkeit für die Gelegenheit: Mit dem Spruch im Kopf und mit etwas Gutem in der Hand – das wünsche ich uns.                                                      

Ihre Vikarin Hi-Cheong Lee 

Monatsspruch April 2023

Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte. Joh 20,18

Und sie berichtete,
sie berichtete Petrus und Johannes, Markus und Philippus.
Judas war nicht mehr dabei. 

Und Philippus berichtete,
er berichtete Susanna und Johanna und später seiner Schwester. Paulus war noch nicht dabei. 

Und Susanna berichtete,
sie berichtete Maria und Lydia, und die ihren Kindern
und vielleicht sogar den Urenkeln. 

Wir haben von der Auferstehung Jesu gehört, weil Menschen davon erzählt haben. Sie haben erzählt, was sie gehört hatten, auch wenn es unwahrscheinlich klang (Ein Toter lebt und spricht). Sie haben anderen davon berichtet, auch wenn sie es nicht beweisen konnten (Das Grab war leer). 

Wenn uns keiner von dieser Geschichte erzählt hätte, würde uns eine große Hoffnung fehlen: die Hoffnung, dass der Tod nicht das Letzte ist und der Glaube, dass Gott ins Leben ruft. 

Die Ostergeschichten in den Evangelien erzählen, wie Menschen nicht begreifen konnten, dass Jesus lebt. Schon vor 2.000 Jahren konnten manche sich das nicht vorstellen. Andere spürten in ihrem Herzen, dass es wahr ist. Diese Wahrheit hat ihnen Kraft gegeben. 

Wir werden die Auferstehung Jesu nicht beweisen können – müssen wir auch nicht. Wir heute können erzählen, was uns erzählt wurde. 

Ich kann erzählen, warum ich diese Geschichte nicht aufgebe, besonders, wenn ich auf dem Friedhof stehe und die Urne in die Erde gelassen wird. Wenn ein Witwer und seine Kinder dastehen und keine Worte für ihre Traurigkeit haben, dann erzählt die Ostergeschichte vom Leben, von Gottes Liebe, die stärker ist als der Tod. 

Dann erzählen wir neue Ostergeschichten, Geschichten vom Leben, das Leben will Geschichten von uns, die wir von Ostern her kennen, von dieser großartigen Hoffnung, dass das Leben siegt. 

Barbara Neubert 

Monatsspruch März 2023

Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Röm 8,35

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

So dichtet Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis zum Jahreswechsel 1944/45. Die guten Mächte stellt Bonhoeffer den bösen Mächten gegenüber, die er täglich um sich herum als übermächtig erlebt: Gefangenschaft, Willkür, Bombenhagel, Hinrichtungen von Mitgefangenen. Bonhoeffer denkt bei den guten Mächten an die Psalmen und Lieder, die er betet und singt. Er denkt an Briefe und freundliche Gesten, er denkt an die Liebe seiner Eltern, seiner Verlobten, seiner Geschwister. 

Alle diese guten Mächte werden ihm zur Manifestation der Liebe Gottes. Sie helfen ihm durchzuhalten, sie geben ihm Kraft auch im Sterben und im bitteren Tod durch den Strang kurz vor der Befreiung des Lagers.

Welche guten Mächte haben wir im vergangenen Monat erlebt? Wo haben
wir Liebe erfahren oder Freundschaft? Was hat uns stark gemacht und geholfen, Herausforderungen zu bestehen? Jede und jeder muss für sich selbst fragen und suchen. 

Der Apostel Paulus führt in seinem Brief an die Römer alle die Erfahrungen mit guten Mächten zurück auf Christus als die eine große gute Macht, auf Gott, der seine Menschen liebt: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ 

In allem, was uns hält und trägt und tröstet, in allem, was uns hilft in Krisen und Bedrohungen, ist Gottes Liebe als die eine große, gute Macht gegenwärtig. Und diese Liebe Gottes ist stärker als jede andere Macht. Gottes Liebe hält stand, sie bleibt. Sie hält uns auch dann, wenn andere Mächte uns überwältigen. Gottes Liebe hält uns auch im Sterben und im Tod, sie verbindet Lebende und Tote, sie sorgt dafür, dass nichts und niemand verloren geht. 

Niemand muss allein glauben, niemand ist alleine stark genug, dass er nicht Gott und in vielen Fällen auch seinen Nächsten braucht. Ja, Jesus hat uns gelehrt, dass Gottes Liebe im Leben erkannt wird, wenn wir mit anderen unterwegs sind, im Teilen von Freud und Leid, im Teilen des Tisches, im Teilen der Gaben, im Teilen der guten Mächte.

Ihre Gastpfarrerin Liudmila Hernandez

Monatsspruch Februar 2023

Sara sagte: Gott hat mir ein Lachen bereitet. Mose 21,6

Im Februar dürfen wir uns zum Narren machen. Ganz freiwillig!  Denn: es ist Faschingszeit!

Manche Verkleidungen beweisen: da kann jemand herzlich über sich selbst lachen. Viele Wagen beim Rosenmontagsumzug sind doppeldeutig: komisch und kritisch zugleich. Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht! 

In der Bibel begegnen uns lachende Menschen eher selten. Eine Ausnahme stellt die Geschichte von Sara und Abraham dar – ganz am Anfang des 1. Testaments. An keiner anderen Stelle der Bibel begegnen uns lachende Menschen so dicht gedrängt wie hier! Abraham und Sara lachen (beide!), als sie das erste Mal hören, dass sie im fortgeschrittenen Alter einen Sohn bekommen werden!

Sie haben nicht mehr damit gerechnet. 

Schließlich geben sie ihrem Sohn den Namen „Isaak”, was im Hebräischen bedeutet: „er wird lachen”. Und die junge (eigentlich ja alte) Mutter sagt schließlich: Gott hat mir ein Lachen bereitet!

Doch bei genauerem Hinschauen ist die Geschichte von Sara und Abraham – trotz des Lachens – nicht wirklich eine heitere. 

An vielen Stellen bleibt unscharf: Ist es Freude, die sie zum Lachen bringt oder schwingt nicht Bitterkeit mit, dass sie nun im Greisenalter noch einmal Eltern werden. In jungen Jahren hatten sie sicherlich Monat für Monat darauf gewartet. Und jedes Mal, wenn es nicht geklappt hatte, bedeutete dies: wachsende Resignation!

So ist nicht nur das Lachen der Sara uneindeutig zwischen Freude und Frust, sondern auch ihr zurückliegender Lebensweg. Sie hat einerseits von Gott Segensreiches empfangen und zugleich auch schweres Schicksal ertragen. 

Menschen der Bibel geht es mit einem Leben zwischen Segen und Herausforderung nicht besser oder anders als den meisten von uns. Auch die späte Schwangerschaft bedeutet beides zugleich: Segen und Schicksal. 

Und so erwartet Sara, dass auch ihre Freunde, Nachbarn und Angestellten über ihre Schwangerschaft lachen werden: Lachen sie mit ihr über ihr Glück oder über sie und ihr Schicksal?   

Sara hat es sich nicht ausgesucht, dass auch sie sich zum Narren vor den Menschen machen könnte. 

Außerhalb des Karnevals hat es oft nichts mit Humor zu tun!  Und so führt Sara letztlich auch uns vor Augen, wie schmerzlich es sein kann, sollte auch unser Lachen manchmal von Häme über andere begleitet sein. 

Björn-Christoph Sellin-Reschke

Jahreslosung 2023

Du bist ein Gott, der mich sieht. Genesis 16,13

Mitten in der Wüste – Leben!

Entrechtet, gedemütigt, schwanger flieht eine junge Frau an diesen lebensfeindlichen Ort. Doch mitten in der Wüste, findet sie eine Wasserquelle und ein Gegenüber, einen Lebensort.

„Wo kommst du her und wo willst du hin?“, fragt sie dort ein Gottesbote.

Auf ihre Antwort hin verheißt jener Gottesbote ihrem Nachkommen eine Zukunft.

Sie ist guter Hoffnung. Ihr Name ist Hagar, sie wird die Mutter Ismaels.

Angesprochen, gefragt nach dem woher und wohin. Sie spürt die Gegenwart Gottes: Er sieht mich.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ – in der biblischen Erzählung und heute.

Zu Beginn des neuen Jahres wünschen wir Ihnen lebensspendende Quellen. Wir wünschen Ihnen solche Begegnungen, dass Sie spüren: Ich werde gesehen. Und dass die Jahreslosung 2023 Sie begleitet und trägt.

Bleiben Sie auch 2023 behütet.

Ihre Vikarin Hi-Cheong Lee
Paulus-Kirchengemeinde

Monatsspruch Dezember 2022

Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie. Jes 11,6

Die Wölfe sind zurück!

Nicht in Lichterfelde, da sind eher die Füchse unterwegs, doch im Umland sind sie da; gerissene Lämmer bleiben nicht aus und die Frage, wie beide einen Lebensraum teilen können. Wie vertragen sich Artenschutz, das Halten von Nutztieren und die menschliche Furcht vor den Wildtieren?

Diese Frage wird einst überholt sein – zumindest nach dem Buch des Propheten Jesaja. Wild- und Nutztiere werden zusammenleben: Der Wolf wird beim Lamm weilen, der Panther beim Böcklein liegen, Kalb und Löwe zusammen weiden. Ja, der Löwe wird Stroh fressen, heißt es einen Vers weiter und auch Kuh und Bärin werden
miteinander weiden. Auch der Mensch ist im Tierfrieden dabei – zusammen mit der Schlange: Ein Säugling spielt am Loch der Viper, ein Kleinkind streckt seine Hand nach der Höhle der Otter aus.

Es gab keine Angst und nichts zu verlieren.
Es war Friede bei den Menschen und unter den Tieren.
Das war das Paradies –
träumte Rio Reiser in Anspielung auf den Tierfrieden.

Nach der Jesaja-Vision wird sein, was nach den biblischen Geschichten am Anfang gewesen war: Ein Paradies auf Erden, kein Tier starb für ein anderes, eine erneuerte Schöpfung am Berg Zion.

Doch der Traum ist aus – sang schon Reiser, und wer wagt in diesen Tagen angesichts einer geschundenen Schöpfung und verheerenden Kriegen noch von einem umfassenden Frieden zu träumen?

Jesaja zeichnet mit der Vision Bilder für den Frieden. Sie gründen in der Gewissheit des Propheten, dass einst von Zion aus das Land der Erkenntnis Gottes erfüllt ist. Dann „tut man nichts Böses mehr …“. Wo die Gotteserkenntnis dazu führt, dass Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Gewalt nicht mehr sind – da ist ein Lebensraum, da ist Friede.

Reiser sang: Der Traum ist aus, aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird.

Der Traum ist aus? Ich werde alles dafür geben, dass er Wirklichkeit wird – aus der Hoffnung, die ich mit Weihnachten verbinde. Die Vision ist übrigens eine der Lesungen zur Christvesper.

Die Hoffnung auf den Frieden, der von Gott kommt, der den Menschen seines Wohlgefallens gilt, möge Sie erfüllen.

Friedliche Weihnachten wünscht
Ihre Vikarin Hi-Cheong Lee

Monatsspruch November 2022

Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, die aus sauer süß und aus süß sauer machen. (Jes 5,20)

Lieber Leser und liebe Leserin, 

Fake News sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Es gibt sie schon lange. Neu ist es, für die Verdrehung von Tatsachen das englische Wort „fake“ zu verwenden. Vor gut zweieinhalbtausend Jahren nannte man es so: Jemand nennt das Böse gut und das Gute böse. Jemand verdreht die Tatsachen, sehr geschickt und absichtlich, jemand macht aus sauer süß und aus süß sauer. 

Da wird ein Referendum abgehalten, das Volk nach seiner Meinung befragt, was ja eigentlich gut ist. Aber von russischer Seite wird nicht gesagt, dass ein Referendum in einem Krieg, von der angreifenden Seite durchgeführt, nur etwas Schlechtes für die Menschen bedeuten kann. Ich schreibe dies wenige Tage nach den Referenden in Kherson und anderen Städten. Die Situation in der Ukraine scheint eher dunkler als friedlicher zu werden. 

Jesaja hatte andere Situationen im Kopf. Und er ist sauer, sauer auf die, die Immobilie an Immobilie reihen, so dass andere kaum noch Wohnraum für sich finden. Er ist sauer auf die Helden im Weintrinken und auf tüchtige Kerle beim Bierbrauen. Er ist sauer auf die, die andere bestechen, vor allem im Gericht. 

Jesaja sagt dies laut und deutlich: „Wehe denen“. Im Deutschen klingt das fast harmlos. Im Hebräischen sind es Worte der Totenklage. Jesaja hält die Totenklage über die, die Böses gut und Gutes böse nennen. Er hält sie eigentlich schon für tot. Wenig später wird Jesaja von Gott zum Propheten berufen. Er bekommt offiziell den Auftrag von Gott, solche unangenehmen Wahrheiten laut und deutlich auszusprechen, ebenso wie die Konsequenzen, die solches Verhalten hat. 

Fake News haben nicht ewig Bestand. Das ist die gute Nachricht bei Jesaja. Gottes Gerechtigkeit setzt sich, manchmal schmerzhaft, durch. Wie eine Lösung für die Ukraine und Russland aussehen kann – ich wünschte, ich wüsste es. Wie sich ein Mensch wie der russische Präsident stoppen lässt – ich weiß es nicht. Aber dass Gott das Leid der einzelnen Menschen sieht, dass er unsere Gebete für die Menschen in Kherson und den anderen Gebieten der Ukraine hört, da bin mich mir sicher. Über denen, die dieses Leid verursachen, sei die Totenklage angestimmt. Jesaja hat immer wieder gehofft, dass sie ein Weckruf zum Leben sind.                                                                                                                                                
Barbara Neubert 

Monatsspruch Oktober 2022

Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker. Offb. 15,3

Es ist wie ein Wunder!

Jetzt im Herbst ist frisches Grün zu sehen und es bilden sich noch einmal neue Blüten. Ich habe nicht aufgehört, das Pflänzchen auf meinem Balkon zu gießen. Auch dann nicht, als es mir in den Sommerwochen deutlich signalisierte: es ist zu heiß! Jetzt beweist die inzwischen kleine Pflanze noch einmal Mut zum Blühen, Mut sich zu zeigen. Sie hat sich nicht unterkriegen lassen!

Um genau diesen Mut geht es auch im Monatsspruch für den Oktober.  

Der Monatsspruch ist ein Loblied. Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, wird es angestimmt.  Es ist ein Loblied all derer, die sich nicht einschüchtern ließen von machtgierigen Herrschern, von Krieg und Unterdrückung. 

Christinnen und Christen haben im ersten Jahrhundert genau das erlebt. Und wir wissen, wie solche äußeren Umstände schnell in Glaubenszweifel münden. Bei uns werden – angesichts des Monatsspruches – solche Glaubenszweifel vielleicht so klingen:  

‚Wenn Gott der Herrscher über die ganze Schöpfung ist – wie kann es dann sein, dass wir Menschen so viel Potential haben, sie zu zerstören?‘

‚Wenn Gott König aller Völker ist, wie können dann weltliche Herrscher – auch in unseren Tagen – so viel Unheil anrichten?‘ 

Und dann ist da mein Pflänzchen auf dem Balkon, das mir sagt: manchmal muss man einfach durchhalten, darf den Mut – auch den Glaubensmut – nicht verlieren.  

Die Offenbarung des Johannes will Glauben stärken und Mut spenden. Das ist genauso wie ein Pflänzchen zu begießen, das in der Hitze des Sommers kurz vor dem Vertrocknen ist, voll der Hoffnung: es werden wieder gute Tage kommen. Gott ist mit seinen Plänen noch nicht am Ende. Deshalb lasst uns jetzt schon daran festhalten, Gott zu loben! 

In ganz ähnlicher Weise stimmt auch die (kleinere) Glocke unserer Dorfkirche ab Oktober wieder regemäßig ein Gotteslob an. Die Inschrift der kleinen Glocke lautet: „Der Name des Herrn sei gepriesen”. Und ich stelle mir vor, wie oft auch sie schon in düsteren Zeiten geläutet wurde und mit ihrem Klang und Gotteslob Menschen erreichte. 

Möge sie in Zukunft für alle Menschen in unserem Kiez läuten und ihnen Glaubensmut schenken! 

Björn-Christoph Sellin-Reschke

Monatsspruch September 2022

Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit. Sirach 1,10

Ein junger Mann zog im Jahr 132 v. Chr. aus Jerusalem nach Ägypten. Er verließ seine Heimat.

Im Gepäck hatte er Schriftrollen seines berühmten Großvaters, der zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. in Jerusalem lebte. Alle jungen gebildeten Männer – unterwiesen wurden nur Jungen – kannten ihn als weisen Verfasser eines Erziehungsratgebers, einer Bildungsschule, sie kannten seinen Namen „Jesus ben Sira“. Er vermittelte Lebensweisheiten und das, was zur Erziehung und Weisheit gehört, um gesetzestreu zu leben. Damit auch die Jugend in der jüdischen Diaspora in Ägypten in den Genuss dieser Lektüre kam, verbrachte der Enkel viele schlaflose Nächte und übersetzte.

Liebe Leserinnen und Leser,

wer den Monatsspruch in der Lutherbibel sucht, wird ihn nicht finden – es sei denn, Sie haben eine mit Apokryphen. Denn die Schrift „Jesus Sirach“, auch als „Ben Sira“ bekannt, ist kein Teil der hebräischen Bibel. Die Septuaginta, die bekannteste griechische Übersetzung der Schriften des Alten Testaments, überliefert sie. Luther schätzte die Schrift als Erziehungsbuch und übersetzte sie aus der Septuaginta und der lateinischen Vulgata, denn eine hebräische Fassung lag ihm nicht vor.

Erst 1896 wurden in Kairo hebräische Textfragmente gefunden, später weitere in Israel.

Wer Ben Sira heute liest, geht in die alte Schule von Frau Weisheit – so wird die Weisheit in jüdischer Weisheitsliteratur vorgestellt, als Frau. Wer Ben Sira heute liest, kann eines ihrer Kinder werden. 

Der Monatsspruch steht am Ende einer Bewegung der Weisheit: „Alle Weisheit kommt vom Herrn“ (Sirach 1,1). So beginnt der Großvater seinen Erziehungsratgeber. Der Herr behält die Weisheit aber nicht für sich. Sie wird über alle seine Werke ausgegossen, universal: Vom Herrn zu allem Fleisch, vor allem zu jenen, die ihn lieben. Ergänzt wurde der Gedanke: „Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit“ – der Monatsspruch für den September.

Das Allerschönste an dieser Weisheit ist: Sie ist eine Gabe, die „ausgeschüttet“ wird, ein Geschenk, das „gewährt“ wird.  

Ihre Vikarin Hi-Cheong Lee

Monatsspruch August 2022

Jubeln sollen die Bäume des Waldes vor dem Herrn, denn er kommt, um die Erde zu richten. 1.Chr 16,33

Liebe Leser und Leserinnen, 

jubeln sollen die Bäume, die Bäume, die im Wald stehen, die Apfelbäume, deren Früchte wachsen und jeden Tag süßer werden, die Buchen, deren Kronen lichter geworden sind, die Bäume, die unter der Dürre leiden, die Eichen, die vom Eichenprozessionsspinner angegriffen werden, die Fichten, die unter der Trockenheit besonders leiden, die Kirschbäume, über die Kirchernte, bis zu den Zedern, die im Libanon und in Israel stehen, sie alle sollen jubeln.

Natürlich hatte der Schreiber dieser Worte aus dem 1. Buch der Chronik nicht unsere
Apfelbäume im Blick, als er dies Bild für den Lobgesang wählte. Er berichtete begeistert von den Steintafeln, auf denen die 10 Gebote standen. Sie wurden nach Jerusalem gebracht. Dort gab es ein Zelt, das extra für diese Steine aufgebaut war. Die ganze Stadt, so wird berichtet, feierte dieses Ereignis. Für jeden Mann und jede Frau gab es dazu ein Brot, ein Stück Fleisch und einen Rosinenkuchen (1. Chronik 16,3). Und dann sangen Asaf und seine Brüder für Gott zum ersten Mal. Sie sangen von den Bäumen, die jubeln, und von Gott, der mächtig ist und gerecht: „Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.“ 

Alle sollen sich freuen, nicht nur die Männer und Frauen in Jerusalem, nicht nur die Menschen überall, sondern auch die Schöpfung, die Bäume und das Feld. Die ganze Erde freut sich. 

Und dann sehe ich beim Spazierengehen die Bäume im Wald und sehe, wie viele durch die Dürre der letzten Jahre geschädigt sind und denke, diese Bäume, genau diese sollen sich freuen. 

Wenn Gott kommt, um die Erde zu richten, dann hat der auch die Bäume 
im Blick. 

Das Richten Gottes hat immer mit Gerechtigkeit zu tun und damit, dass die Schwächeren leben können. Von daher ist dieser Vers ein guter Satz für den 
Sommer: Lasst uns etwas tun, dass die Bäume jubeln können. Lasst uns etwas tun, das die Bäume aufatmen und jubeln lässt, die Bäume im Wald die Bäume gegenüber der Haustür. Eine Gießkanne dafür findet sich bestimmt.  

Einen fröhlichen Sommer wünscht Ihnen
Ihre Pfarrerin Barbara Neubert

Hier kann man Berliner Bäume adoptieren

 

Monatsspruch Juli 2022

Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Ps 42,3


„Was ist der Unterschied zwischen Fingerhut, Trümmerblumen und Rittersporn?“ Ich wandere mit meiner Freundin durch buchstäblich blühende Landschaften, atme die Schönheit ein und erinnere mich an meine Mutter, wie sie mir Blumen gezeigt und Insekten um sie herum erklärt hat. Noch heute bin ich ihr dankbar dafür. Gott ist mir nah.

„Wir hatten gehofft, sie retten zu können!“ Die Verzweiflung über den Tod der einen ist so groß wie die Trauer über den Tod der vielen nach der russischen Bombardierung eines Einkaufszentrums mitten in der Ukraine. Gott, wo bist Du?

„Du wachst früh auf im Zelt, schaust auf den Gipfel des fernen Kilimandscharo - und vor Dir, ganz nah, steht grazil und majestätisch zugleich eine Giraffe.“ Der Freund hält beim Erzählen den Atem an, ich spüre sein Glück über die unmittelbare Begegnung mit der Schöpfung, und ich freue mich für ihn, mit ihm. Gott ist lebendig.

„Ich hörte ein Wimmern, und dann sah ich Leichen im Inneren des Lasters“, so beschreibt der Zeuge seine grausige Entdeckung in Texas nahe der Grenze zu Mexiko, mehr als 50 Menschen in der Hitze des Schlepperwagens erstickt, verdurstet, an Hitzschlag gestorben. Menschen, die einfach nur leben wollten. Gott, wo bist du?

„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“ Auf diesen spirituellen Nenner bringt Albert Schweitzer seine Erfahrungen als Arzt, als Mensch, als Christ. In all dem ist der lebendige Gott, nach dem meine Seele so dürstet. In all dem finde ich ihn, höre seinen Ruf, zu leben und für seine Schöpfung einzustehen.

Das, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich auch Euch und Ihnen.
Katja Barloschky

Monatsspruch Juni 2022

Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod. (Hohelied 8,6)

Es ist Sommer. Und im Juni ist es meistens noch nicht so heiß. Für viele deshalb genau der richtige Monat, um zu heiraten und den Bund der Ehe einzugehen.

Und immer wieder kommt es vor, dass sich Brautpaare das Bibelwort aus dem Hohelied als Trauspruch aussuchen. Manche Paare mögen an diesem Bibelspruch besonders, dass „nicht so viel Gott darin vorkommt”, so sagte mir einmal ein Brautpaar beim Traugespräch. Und eigentlich hatten die beiden damit völlig recht! Denn wie kein anderes Buch der Bibel beschreibt das Hohelied wie es ist, wenn die Liebe zwischen zwei Menschen entbrennt. Von Gott ist tatsächlich kaum die Rede im ganzen biblischen Buch! 

Unerwartet finden wir stattdessen eine besondere Form von Erotik in den Kapiteln.

Das heißt aber nicht, dass die beschriebene zwischenmenschliche Liebe dabei oberflächlich wäre! Im Gegenteil! Denn im Monatsspruch aus dem Hohenlied ist ja eindrücklich gleich zweimal vom „Siegel” die Rede. Und ein Siegel drückt besondere Beständigkeit, Verlässlichkeit und dauerhafte Gültigkeit aus. 

Dass das Buch „Hohelied” überhaupt den Weg in die biblischen Schriften fand, ist vor allem damit zu erklären, dass es schon früh umgedeutet wurde. Eine solch verlässliche Liebe, wie eben beschrieben, entsprach im Judentum dem Bild, wie Gott sein Volk Israel liebt: treu, dauerhaft, mit dem Siegel des Bundes, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Auch den Christen fiel es nicht schwer, diese Vorstellung weiter zu führen: sie sahen in der „Liebe mit Siegel” ein Bild, wie Jesus Christus zu seiner Kirche steht. 

Natürlich ist das eine Umdeutung, die das Hohelied erfuhr. Aber besteht unser Reden über Gott nicht meistens darin, dass wir Bilder aus unserem (Alltags-)Leben aufgreifen und sie uns helfen, Worte für Gott zu finden?!

Außerdem finde ich es bedenkenswert, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der es zunehmend mehr dauerhafte Singles und viele alleinstehende Menschen gibt. Viele machen im Leben gar nicht die Erfahrung einer dauerhaft-beständigen zwischenmenschlichen Liebe. Und auch die Zahl derjenigen, die im Leben nie 
heiraten werden, ist deutlich gewachsen. 

So ist es gut, dass ich die Liebe, die im Hohenlied beschrieben wird, auch deuten kann auf Gottes Liebe zu mir!
Sie gilt verlässlich. Mit Siegel! 

Ihr Pfarrer Björn-Christoph Sellin-Reschke 

Letzte Änderung am: 24.03.2024